■ Hans Modrow ist 1989 gegen Demonstranten vorgegangen
: Das Ende einer SED-Schimäre

Was hat Hans Modrow mit Helmut Kohl gemein? Beide sind ausgesprochen schlechte Zeugen in eigener Sache, wenn sie vor einem Untersuchungsausschuß aussagen. Ihr Erinnerungsvermögen läßt im Zweifelsfall so sehr zu wünschen übrig, daß man Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit hegen kann. Doch während der Bundeskanzler sich seinerzeit zu seinem „Blackout“ bekannte, als er zu Flick befragt wurde, dachte sich der ehemalige Dresdner Bezirkssekretär, daß nicht sein kann, was bei einem „SED- Reformer“ nicht sein darf, und leugnete schlicht, daß es im Oktober 1989 im engeren Sinne Beratungen der bezirklichen Einsatzleitung gegeben habe. Das hat ihm nun zu Recht eine Verurteilung wegen Meineids eingebracht.

Worin unterscheiden sich Modrow und Kohl? Zynisch betrachtet, und das wäre Kohls Sichtweise, zeigt sich an beider Vorgehen der unterschiedliche Grad an Professionalität eines ost- und eines westdeutschen Politikers. Modrow kehrt diesen Blickwinkel um 180 Grad und deklariert das Verfahren gegen sich zu einem erneuten Fall von Siegerjustiz. In dieses Horn wird nun auch wieder der Unterstützerchor der PDS tuten.

Das ist allerdings nicht weniger zynisch. Denn darin drückt sich allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz die mangelnde Bereitschaft aus, sich der Vergangenheit aufarbeitend zu nähern, sich mit der eigenen Rolle in jenen Oktobertagen des Jahres 1989 auseinanderzusetzen, zu den immerhin 200 „Zuführungen“ Stellung zu nehmen, zu der „erhöhten Gefechtsbereitschaft“, mit der das Militär seinerzeit die Unruhen in Dresden bekämpfen sollte. Und das allein, um eine der letzten Schimären der SED-Geschichte zu pflegen: der Legende von den unbefleckten Reformern in der Partei.

Dieses Bild wurde nun geradegerückt. Es konnte tatsächlich nicht sein, was nicht sein durfte. Es konnte nicht sein, daß ein Bezirkssekretär der SED neben dem Repressionsapparat agierte, ohne in dessen Machenschaften eingebunden zu sein. Diese Erkenntnis ist für Kenner der DDR eigentlich banal, allenfalls Apologeten regt sie noch auf.

Wieder einmal hat ein Gericht den differenzierten Blick auf die DDR-Vergangenheit geworfen, den die PDS so gerne für sich in Anspruch nimmt. Der Partei bleibt allmählich nicht mehr viel Gelegenheit dazu. Dieter Rulff