Di Pietro schweigt

■ Die Staatsanwaltschaft Brescia hat ihm die Dokumente weggenommen

Brescia (taz) – Dramatische Wende im „Komplott-Prozeß“ von Brescia: Antonio Di Pietro, der Hauptbetroffene und Zeuge, sagt nicht aus. Angeklagt sind der Bruder des Medientycoons Silvio Berlusconi, der ehemaligen Verteidigungsminister Cesare Previtti und weitere Freunde des Exministerpräsidenten. Sie sollen im Dezember 1994 mit erpresserischen Mitteln den Rücktritt Di Pietros, des damaligen Chefermittlers der Antikorruptionsstelle „Saubere Hände“, erzwungen haben. Di Pietro selbst, der gestern als Zeuge vor Gericht auftreten sollte, hat die Aussage verweigert, nachdem ihm nicht gestattet wurde, ein Memorandum zu verlesen.

Das nämlich hatte Di Pietro beantragt, weil ihm just die Staatsanwaltschaft Brescia – die außerhalb des derzeit laufenden Verfahrens eine Ermittlung gegen ihn wegen Korruptionsverdachts eingeleitet hatte – bei einer Hausdurchsuchung „alle Dokumente beschlagnahmt hat, die für meine Zeugenaussage notwendig sind“. Zitiere er aus dem Gedächtnis, laufe er Gefahr mangelnder Präzision und setze sich erneut den „unsäglichen Angriffen aus, die seit Monaten gegen mich geführt werden“.

Tatsächlich veröffentlichen die Medien derzeit nahezu täglich angebliche Enthüllungen über Di Pietro. Gespeist werden sie offenbar aus der Staatsanwaltschaft Brescia, die bereits dreimal mit Anklageerhebungen gegen Di Pietro kläglich gescheitert ist, und aus der Finanzpolizei, deren höchste Kommandanten Di Pietro ebenfalls heftig gebeutelt hatten.

Ob das Gericht Di Pietro nun noch einmal vorlädt, ist unklar – vorläufig will es nun die Angeklagten selbst vernehmen. Exverteidigungsminister Previtti, vormals auch Syndikus Berlusconis, hat sich jedenfalls gestern erstmals seit Beginn des Prozesses in Brescia eingefunden.

Di Pietro selbst genießt weiterhin ungeschmälerte Bürgergunst: Mehr als 80 Prozent aller Italiener glauben, daß an den Vorwürfen gegen ihn nichts dran ist. Als er sich den Weg zum Gerichtsgebäude bahnte, wurde er von einer dichten Menge Fans begrüßt und abgeküßt. Und bereits an Sonntag war eine eindrucksvolle Sympathisantendemonstration durch Rom gezogen und hatte das Ende der Nachstellungen und den Wiedereintritt Di Pietros ins Kabinett Prodi gefordert. Werner Raith