Überleben ist die größte Strafe

■ Sieben Jahre Haft für einen Vater, der seine Kinder tötete

Ein 34 Jahre alter Ingenieur, der im Affekt seine beiden Töchter getötet hat, ist gestern vom Hamburger Landgericht wegen Totschlags in zwei Fällen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. „Man muß sich von dem Grauen freimachen, das einen angesichts der Tötung der Kinder befällt, um dem Angeklagten gerecht zu werden“, sagte der Vorsitzende Richter Johann Krieten in seiner Urteilsbegründung.

Der verzweifelte Mann, der als Regierungsstipendiat aus Togo in die Bundesrepublik gekommen war, hatte vor Gericht den langen Abschied von seinen Träumen beschrieben: Nach Abschluß seines Studiums hatte er keine Arbeit bekommen, weil er „wohl zu lange in der Sonne gelegen“ habe und als Schwarzafrikaner „wenig willkommen“ sei, wie man ihn auf dem Arbeitsamt beschied. Statt seiner Familie Geld nach Hause schicken zu können, war er vielmehr auf die Unterstützung durch die hanseatischen Schwiegereltern angewiesen.

Es demütigte den Familienvater mit den hohen Zielen, daß er trotz aller Anstrengungen nicht vorankam. Die Beziehung und spätere Ehe mit einer 36jährigen Studentin wurde nur noch durch die Kinder zusammengehalten. Als er eines Nachts über seine Ehefrau herfiel und die anschließende gemeinsame Therapie kaum Erfolge verzeichnete, entschloß sich seine Schwiegermutter, die Scheidung voranzutreiben.

„Sie wollte ihn nur noch als Vater ihrer Kinder – nicht mehr als Mann“, analysierte der Vorsitzende Richter gestern. Am Tattag im Juni 1996 sei das „gesamte verkorkste Leben“ des Angeklagten „wie ein Film vor seinen Augen abgelaufen“.

Seine depressive Stimmung habe sich „in einem Affektstrudel“ entladen, so Krieten. Die zwei und vier Jahre alten Mädchen sind mit einem Telefonkabel gedrosselt und nach einem minutenlangen Todeskampf in der Badewanne ertränkt worden. „In Liebe und Hass“, stand auf einem Zettel, den der suizidale Vater hinterließ. Ein Notarzt fand den Angeklagten mit aufgeschnittenen Pulsadern.

„Überlebt zu haben – das war seine größte Strafe“, schloß der Vorsitzende Richter.

Lisa Schönemann