Stille Post Geflüstertes aus Kultur & Gesellschaft

Den schönsten Weihnachtsmarkt hat Bremen, werden Sie sagen – und sich dabei noch bestätigt fühlen. Denn in der Tat wurden schon Busladungen von Touristen gesehen, die ausgerechnet am Bremer Markt aussteigen. Zugegeben, es gibt dort den einen oder anderen in weihnachtlichem rot-weiß dekorierten Stand. Aber die Atmosphäre! Glauben Sie mir, die echte und wahre Weihnachtsmarktatmosphäre kann nur in der Provinz aufkommen – in der Provinz namens Stuhr. Samstag herrscht hier selige Rammdö-sigkeit. Mit ein, zwei Gläsern Glühwein kann daraus blitzschnell hemmungslose Bräsigkeit werden. Nur so sind all die hilflosen Keramikarbeiten aus Ton, die Postkarten der Hand- und Fußmaler und das bemüht naturbelassene Holzspielzeug zu ertragen. Die Krönung aber: Axel P. Sommerfeld als Moderator auf dem verwaisten Parkplatz. Umringt von einem Grüppchen frisch gefönter Girlies versuchte sich der Berufsjugendliche mit der großzügig bemessenen Kinnpartie um die Quadratur des Kreises: Vorweihnachtliche Stimmung mit Partylaune kombiniert auf dem verregneten Parkplatz von Stuhr.

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„Mittendrin steckst du“, stellt sie fest, als sie bemerkt, daß ihr just jetzt, zur Zeit des größten Weihnachtsgetümmels, ein paar Schuhe fehlen. Der Kaufrausch läßt eben niemanden aus. Sei's drum. Sie wirft sich also ins Gewühl, gibt jedoch nach der Inspektion von drei mickrig bestückten Regalen – sie hat Schuhgröße 42 – entmutigt auf. Mit so einer Schuhgröße aber, viel weiter verbreitet als das Angebot vorgibt, lernt man flexibel zu sein. Wenn es schon keine Schuhe gibt, wie wäre es mit einer Handtasche?

Die geborene Rucksackträgerin weiß, daß sie sich auf unbekanntes Terrain begibt. Was bitteschön, ist das für ein Material? Es sieht aus wie Leder, fühlt sich an wie Gummi, und riecht nach gar nichts. Also flugs die Verkäuferin geholt. „Es sieht aus wie Leder“, belehrt diese, „fühlt sich aber an wie Gummi“. Mehr weiß die gute Dame auch nach dem Fühl- und Reibetest nicht. „Tja“, schließt sie, „das ist sicher was Neues. Es ist wohl so, daß es nicht abreibt. Wär ja auch schade.“ Mehr, gesteht sie der Kundin vertrauensvoll, könne sie auch nicht sagen. Und wie zum Trost setzt sie nach: „Man steckt ja nicht drin.“ taz