Keine Ausbildung für Flüchtlinge

■ Deutsche zuerst: Eine Bosnierin muß ihre Lehre abbrechen, der Betrieb soll Bußgeld zahlen

„Deutsche zuerst“ heißt es, wenn Lehrstellen vergeben werden, Deutsche zuerst und mit ihnen Ausländer, die eine Arbeitserlaubnis ergattern konnten. Auf der Strecke bleiben fast immer junge Flüchtlinge. So ergeht es jetzt der 19 Jahre jungen Bosnierin Elvira C. Seit über einem Jahr lernt sie in einem Betrieb für Orthopädie-Technik, doch wenn sie Anfang Januar aus dem Urlaub nach Hause kommt, dann ist alles vorbei. Die Lehre ist ab sofort beendet, weil das zuständige Arbeitsamt eingeschritten ist. Elvira C's Chef hat sich im Gesetzes-Gestrüpp verheddert.

1993 ist die junge Frau ins norddeutsche Flachland geflüchtet. Trotz der gerade absolvierten Mittleren Reife drückte sie wegen der mangelhaften Sprachkenntnisse noch einmal die deutsche Hauptschulbank. Und im Juni 1995 fand sie einen Praktikumsplatz bei der Achimer Firma Orthopädie-Technik Jungblut. „Sie wollte unbedingt was lernen“, erzählte ihr Chef Ralf Jungblut gestern. „Und nach vier Wochen war sie so begeistert, daß sie nach einer Lehrstelle fragte.“ Jungblut hatte zwar gerade keine Lehrstelle zu vergeben, aber für die Bosnierin richtete er eine ein. Ab dem 1.8. letzten Jahres lernte Elvira C. alles über falsche Beine, ging in die Berufsschule, die Sozialversicherung wurde ordentlich abgeführt. Ende Januar 1999 sollte sie ausgelernt haben, dann wollte sie zurück nach Bosnien.

Doch schon da hatte ihr Chef einen entscheidenden Fehler gemacht. Elvira C. hatte zwar Elan, aber leider keine Arbeitserlaubnis. Folge: Ihr Ausbildungsplatz existiert bis heute nicht offiziell. Dazu müßte er bei der zuständigen Handwerkskammer Lüneburg/Stade eingetragen sein. Dort ist aber nie der Ausbildungsvertrag eingegangen, sagte gestern die zuständige Sachbearbeiterin. Der sei bei der Post verlorengegangen, druckst Jungblut, aber die Handwerkskammer habe signalisiert, daß die Eintragung kein Problem sei. Stimmt, ergibt die Nachfrage in Lüneburg, aber nur halb. Die Eintragung wäre dann kein Problem, wenn alle Papiere korrekt wären. Dazu gehöre allerdings auch die Arbeitserlaubnis. Ohne die sei nichts zu machen. Und ohne die Eintragung gibt es auch keine Abschlußprüfung.

Das Desaster kündigte sich schon im Mai dieses Jahres an. Da nämlich bekam Jungblut einen Brief vom zuständigen Verdener Arbeitsamt. Die Beschäftigung von Elvira C. sei illegal. Jungblut antwortete, Elvira C. besetze keinen Arbeitsplatz, die Lehrstelle sei ein Beitrag zur humanitären Hilfe für Bosnien. Am Montag dieser Woche trudelte schließlich ein Bußgeldbescheid des Arbeitsamtes über insgesamt 6.311 Mark ein, unterschrieben vom Arbeitsamtschef Klaus Herzberg höchstpersönlich. „Da will mir einer eine reinwürgen!“, ereifert sich Jungblut nun. Aber auch: „Ich kann mir ja vorstellen, daß es solche Gesetze gibt.“

Tatsächlich ist für einen Menschen ohne Arbeitserlaubnis eine Lehrstelle fast unerreichbar. Jungblut hätte die Lehrstelle beim Arbeitsamt melden müssen. Erst wenn sich innerhalb einer Prüffrist von vier Wochen keine deutsche BewerberIn oder eine BewerberIn mit Arbeitserlaubnis für die Stelle gefunden hätte, dann hätte Elvira C. die Chance auf eine Arbeitserlaubnis gehabt. Höchst unwahrscheinlich, sagt Arbeitsamts-Chef Herzberg. Gerade Lehrstellen im Orthopädie-Handwerk seien begehrt. „Das hätte der betreffende Chef wissen müssen. Tut mir leid, wir können da keine Ausnahmen machen.“ J.G.