■ Cash & Crash
: Börsen-Ballon in China platzt

Berlin (taz/dpa) – „Don't panic“ ist derzeit das am meisten verachtete Gebot an den beiden Börsen der Volksrepublik China. Seit Montag verkaufen die Anleger soviel sie können – doch trotzdem sinken die Kurse nur um täglich zehn Prozent. Denn die Regierung in Peking hat in ihrer Weisheit den Kurssturz sowohl ausgelöst als auch einigermaßen abgefangen.

Am Montag warnte ein Leitartikler in der Parteizeitung Renmin Ribao (Volkszeitung) und auch in anderen Blättern: Wenn die Börsen derart angeheizt werden, wie in den letzten Monaten, dann sei ein Crash vorprogrammiert. Seit dem 1. April 1996 bis letzte Woche waren die Aktienkurse in der Finanzmetropole Shanghai um 120, in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen gar um 340 Prozent nach oben geschnellt. Die Kurse seien von Staatsunternehmen manipuliert und von Spekulanten mit Bankkrediten aufgebläht worden, so die Zeitung. Das werde untersucht und dann hart durchgegriffen.

Der Leitartikel war exakt plaziert: Am Freitag gab die Aufsichtsbehörde für das Börsenwesen bekannt, daß ab Montag pro Tag jede Aktie und der Kursindex nur noch um maximal zehn Prozent schwanken darf. Damit wollte die Regierung wohl den mit heißer Luft gefüllten Spekulationsballon einigermaßen sanft landen. Denn Aktienkurse sind im ehemals maoistischen Reich der Mitte zu einem Politikum auch für die weniger reichen Schichten geworden. Weil die Zinsen auf den Sparkonten weit unter der Inflationsrate liegen und andere Anlagemöglichkeiten kaum existieren, steigen immer mehr Anleger auf Aktien um. Über 20 Millionen Chinesen sollen schon an den Börsen ihre Renminbi angelegt haben – so viele haben zumindest offiziell beim Staat eine Zulassung bekommen.

Der große US-Börsencrash von 1929 war auch deshalb eine Katastrophe, weil die Ersparnisse von Teilen des Mittelstands mit einem Schlag vernichtet wurden. Das wollen die chinesischen Finanzwächter verhindern. Sie scheinen sich jedoch selbst nicht ganz sicher zu sein, ob es glückt, wie aus dem Hong Kong Standard vom Dienstag zu schließen ist: Die Behörden in größeren Städten wurden angewiesen, die Börsenkurse im Blick zu behalten und vorbeugende Maßnahmen gegen soziale Unruhen zu ergreifen. rem