„Nur die CDU hat den Mut, Wahrheiten auszusprechen“

■ Der Bürgerrechtler Ehrhart Neubert zu den Gründen, warum er der Berliner CDU beitritt: Mit der Partei Kohls den Sozialstaat retten

taz: Herr Neubert, freuen Sie sich auf die DDR-Blockflöten?

Ehrhart Neubert: Es ist klar, daß wir auch mit diesen Leuten zu tun haben werden. Aber wir unterscheiden zwischen denen, die zu DDR-Zeiten einfache Mitglieder waren, und denen, die in der CDU direkt in den Repressionsapparat eingeschaltet waren. 1990 bin ich mit dem „Demokratischen Aufbruch“ gerade wegen der Belastung durch alte Mitglieder nicht in die CDU gegangen. In den letzten sechs Jahren hat sich die Ost-CDU aber positiv verändert.

Aber die CDU hat in jüngster Zeit mehr Ex-SED-Mitglieder aufgenommen als andere Parteien.

Ich habe selbst mit ehemaligen SED-Migliedern, Mitarbeitern der Staatssicherheit auf Foren diskutiert. Die Motive für die allermeisten SED-Beitritte waren doch eher unpolitischer Natur. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Jeder, der in der DDR organisiert war, muß raus. Als junger Mann habe ich selbst einige Jahre der DDR-CDU angehört, in der Hoffnung, Veränderungen von innen heraus zu bewirken.

Werden von Ihnen als Berliner CDU-Mitglied nicht moralische Verrenkungen verlangt? Dort wird etwa die schnelle Abschiebung bosnischer Kriegsflüchtlinge verlangt.

Daß die bosnischen Kriegsflüchtlinge zurück sollten, war für uns nie eine Frage. Es geht allein um die Bedingungen und den Zeitpunkt der Rückkehr. Eine ideologische Festlegung auf ein Bleiberecht birgt die Gefahr in sich, daß beim nächsten kriegerischen Konflikt die hiesige Bevölkerung eine erneute Aufnahme ablehnt. Das Kapital für Notlösungen darf nicht verbraucht werden, indem man nun Rückführungen gar nicht mehr ins Auge faßt.

Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen haben Vera Lengsfeld vorgehalten, sie sei einer Partei beigetreten, die Menschenrechte dem Machtkalkül unterordnet.

Sicherlich, damit haben auch wir Probleme. Den Konflikt zwischen Außen- und Innenpolitik spürten wir zu DDR-Zeiten ja selbst, als die Bundesregierung ihre Ostpolitik mit der SED und über unsere Köpfe hinweg führte. Damals wie heute muß dieser Konflikt stets aufs neue ausgetragen werden. Schnelle Erklärungen lösen doch nicht den Zwiespalt zwischen Pragmatismus und moralischen Positionen.

Befürchten Sie nicht, zum Feigenblatt der CDU zu werden?

Was die CDU aus unseren Beitritten macht, wissen wir nicht. Daß wir der Partei einen Legitimationszuwachs verschaffen, das ist von uns auch beabsichtigt. Uns ärgert insbesondere, daß sich alte Feindbilder aus DDR-Zeiten fortsetzen, die aus altem klassenkämpferischem Duktus der CDU die Alleinschuld für die Wirtschaftskrise anlasten. Dabei müßten alle Parteien heute wissen, daß nicht mehr ausgegeben werden kann, als erwirtschaftet wird. Gerade bei der Frage, wie der Sozialstaat umgebaut und gerettet werden kann, hat allein die CDU den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Interview: Severin Weiland