Die neue Liaison der BürgerrechtlerInnen mit der CDU bahnte sich schon länger an. Die Bürgerbewegung ging zwar in die bündnisgrüne Partei ein, kam aber immer seltener zu Wort. Ihren Bedeutungsverlust hatte sie sich auch selbst eingebrockt.

Die neue Liaison der BürgerrechtlerInnen mit der CDU bahnte sich schon länger an. Die Bürgerbewegung ging zwar in die bündnisgrüne Partei ein, kam aber immer seltener zu Wort. Ihren Bedeutungsverlust hatte sie sich auch selbst eingebrockt. Nun finden die verlassenen Grünen, mit ihren konservativen Leitideen seien Lengsfeld und Co. von Anfang an besser in der CDU aufgehoben gewesen

Trennt sich, was nie eins war?

Wochenlang hatte Vera Lengsfeld ihren Schritt erwogen, hatte so lange mit Freunden das Für und Wider des Übertrittes von den Bündnisgrünen zur CDU gewichtet, daß kein Zweifel mehr blieb, als sie ihn gestern verkündete. Einzig eine Frage brachte die Bürgerrechtlerin ins Stocken. Was ihr denn an der CDU nicht gefalle, wollte ein Korrespondent wissen. Da müsse sie erst mal überlegen, stockte die Konvertitin. Aus dem Grübeln verhalf ihr schließlich freundlich soufflierend ein Kollege der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz“, echote sie, froh, einen benennbaren Punkt gefunden zu haben, der sie in nicht allzugroße Nähe zu ihren bisherigen Parteipositionen bringen würde. Zuvor war weder bei ihr noch bei den anderen Seitenwechslern ein Zaudern zu vernehmen, als ihnen vorgehalten wurde, daß die Blockflöten nun zu ihren Parteifreunden zählen. Bei der CDU habe in dieser Frage ein Prozeß stattgefunden, gründelte Erhard Neubert das neue politische Terrain; sie werde sich in der CDU gegen die alte CDU-Nomenklatura engagieren, ließ Angelika Barbe mit dem gleichen missionarischen Eifer verlauten, mit dem sie bis gestern ihren Genossen in der SPD- Fraktion so auf die Nerven ging.

Was an der CDU nicht gefällt? Diese Frage würde im Regelfall bündnisgrüne Politiker zu abendfüllenden Klagen animieren; Lengsfelds unfreiwillige Schweigepause ist beredtes Zeugnis einer Entfremdung von ihrem bisherigen politischen Umfeld, die über die Differenzen in der PDS-Diskussion hinausgehen. Einer Entfremdung, die ihre Entsprechung im triumphalen Nachgesang Ludger Volmers findet, daß Lengsfeld „Leitideen und eine Gedankenwelt hat, die konservativ sind, daß sie von Anfang an besser in der CDU aufgehoben gewesen wäre“. Der das sagt, war als Bundesvorsitzender der Grünen immerhin einer der Wegbereiter der Vereinigung mit den Bürgerrechtlern.

Also trennt sich nun, was eh nicht zusammengehörte? Zum Teil. Denn die Selbstbehauptung der Bürgerbewegung, sich entlang den Prinzipien der Menschenrechte und der Freiheit quer zu allen Parteien zu organisieren, rieb sich schon zu Beginn an der gesäßgeographischen Ordnung der bundesdeutschen Parteienlandschaft und der marxistischen Tradition, die in den Grünen lebendig geblieben war. Das Trennende schwand allerdings in dem Maße, wie sich der Wertekanon der Grünen änderte und die Bürgerrechtler pragmatischer wurden.

Liegt ihr Parteiwechsel, wie Lengsfeld gestern behauptete, tatsächlich „in der Logik der Demokratiebewegung der DDR“? Nur wenn die PDS zur einzigen Elle erhoben wird, an der die eigene Praxis zu messen wäre. Daß die Postkommunisten auch heute noch zu den Gewinnern in der Gunst des Volkes gehören, während es die Parteien der Bürgerbewegung in die Marginalität verabschiedete, gehört zu den Traumata dieser Bewegung. Darüber sind einige zum Tagesgeschäft übergegangen, andere laborieren noch heute daran. „Sektierertum, Politikunfähigkeit und mangelnder Wille zur Macht“, mahnte Konrad Weiß seine Freunde schon 1990, könnten die Bürgerbewegung schnell „zu einem Erinnerungsverein des Herbstes verkommen lassen“.

Die autenthischen politischen Organisationen wie das Neue Forum wurden bedeutungslos, der Verein traf sich weiterhin regelmäßig. Er traf sich, als es galt, Stasi- Akten zu lesen, er traf sich, um dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe seine IM-Karriere vorzuhalten, er traf sich, um den PDS-Politiker Gregor Gysi der Stasi-Mitarbeit zu überführen, und er traf sich, um sich um die Opfer der Stasi zu sorgen. Anfänglich von einer Bewegung gestützt, wurde dieser Kampf schließlich als skurrile Marotte von Einzelkämpfern abgetan, deren persönlicher Habitus nicht selten Anlaß öffentlichen Spottes wurde.

Die Distanz wuchs in dem Maße, wie sich die CDU der Truppe annahm. Den Christdemokraten war der öffentliche Streit mit Gysi recht und das Eintreten für Freiheit und Menschenrechte billig. Einigen Bürgerrechtlern wie Wolfgang Templin waren solche Kontakte zu den Konservativen Ausdruck der gleichen Distanz zu allen Parteien, andere, wie Bärbel Bohley und Freya Klier, sahen sich glaubhaft von dem Anwalt und CDU-Politiker Uwe Lehmann- Brauns in ihren zahllosen Prozessen gegen Gysi vertreten. Günter Nooke fand, nachdem er seiner bündnisgrünen Fraktion im brandenburgischen Landtag den Rücken gekehrt hatte, eine zwischenzeitliche Aufgabe in der Mitarbeit bei der Grundwertekommission der dortigen CDU. Die Konrad- Adenauer-Stiftung gründete einen Autorenkreis, für den sie Freya Klier, Lutz Rathenow und Hans- Joachim Schädlich gewann. Bärbel Bohley lud sie zu Vorträgen. Publikumsträchtig wurde diese neue Liaison, als sich der Bundeskanzler persönlich mit den Bürgerrechtlern in Bohleys Wohnung im Prenzlauer Berg traf. Damals lobte Kohl sein Eintreten für die, „die für die Kritik an der DDR gestanden und unter dem Regime gelitten haben“. Damals sah sich die Runde um Bohley auch aus den eigenen Reihen dem Vorwurf ausgesetzt, sich funktionalisieren zu lassen. Diese Kritik ist seitdem nicht verstummt und hat mit dem gestrigen Parteiwechsel seine Bestätigung gefunden. Aus den „normalen Arbeitsgesprächen“ (Templin) erwuchs das Bürgerbüro, eine Einrichtung, die sich um Opfer des Regimes kümmern sollte. Ein Projekt, zu dem die Linke zunächst auf Distanz ging und dessen sie sich zuletzt nur widerwillig annahm, um Kohl nicht alleine das schlagzeilenträchtige Feld zu überlassen.

Diese spektakulären Aktionen machten vergessen, daß ein Großteil der ehemaligen Bürgerbewegung in den Bündnisgrünen aufgegangen war, dort aber immer seltener unter diesem Namen firmierten und zu Wort kamen. Sie hatten innerhalb der Partei mit einem Bedeutungsverlust zu kämpfen, den sie sich durch die schlechten Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern selbst eingebrockt hatten. Aus dieser Stagnation sahen immer mehr vor allem Westgrüne einen Ausweg in einer Regierungsbeteiligung auch mit Unterstützung der PDS. Diese Perspektive wird von einigen östlichen Landesverbänden nun nicht mehr ausgeschlossen, Ludger Volmer nennt eine Öffnung zur Gesamtgesellschaft, was Lengsfeld schlicht ein Anbiedern an die PDS ist. Die Konzentration auf die Bürgerrechtler der ersten Stunde habe „das Spektrum der Partei zu sehr verengt“, resümiert Volmer, gleichsam als Ausladung an jene, die noch in der Partei verharren. Einladender wirkte da schon die Bekundung des CDU-Generalsekretärs Peter Hintze, der die Bürgerrechtler rechtzeitig vor „dem schärfsten Richtungswahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik“ an seiner Seite begrüßt. Auch seinen neuen Mitstreitern geht das Wort von der „Richtungsentscheidung“ schon flüssig von den Lippen. „Freiheit oder sozialistische Experimente.“ Das hatten wir doch schon einmal.

„Es gibt drei Möglichkeiten, eine störende Bürgerbewegung unschädlich zu machen“, hat Bohley bereits vor Jahren erkannt: „Man läßt sie als scheintotes Damenkränzchen im Deutschen Historischen Museum weiterexistieren, man bekämpft sie radikal, am klügsten aber ist: Man benutzt sie als Aushängeschild für die eigene Partei.“ Und da sage noch einer, daß der Peter Hintze kein kluger Mann ist. Dieter Rulff

Fotos: Andreas Schoelzel (2),

Stefan Doblinger/Paparazzi (5)