„Ich halte Studiengebühren für sinnvoll“

■ Ein Jura-Professor und Fan des Leistungsprinzips kandidiert für die Uni-Präsidentschaft: Hein Kötz im Gespräch

taz: Herr Kötz, Sie wollen Uni-Präsident werden. Warum?

Hein Kötz: Ich möchte der Universität eine Alternative bieten. Bis vor kurzem sah es doch so aus, als ob die ganze Präsidentschaftswahl ausgesprochen spannungsarm auf Herrn Lüthje zulaufen würde.

Was reizt Sie daran? Die Krise, in der die Universität steckt?

Man hat als Jurist ja ein gewisses Talent entwickelt, aus den Gremien den Sachverstand und den common sense herauszukitzeln, der in ihnen steckt. Es würde mir Spaß machen, dieses Talent auf schwierigem Terrain auszuprobieren.

Mit diesem Talent müßten Sie auch Stellen streichen.

Der Sparzwang kann auch sehr heilsame Folgen haben. Manchmal kann der Tendenz zur Strukturerhaltung und Besitzstandswahrung eben nur entgegengewirkt werden, wenn man die Sparknute schwingt.

Sie beschwören das Leistungsprinzip als Allheilmittel. Was habe ich darunter zu verstehen?

Nun, besondere Leistungen sollten auch belohnt werden, mittelmäßige oder schlechte Leistungen nicht. Viele Kollegen applaudieren nach außen hin, wenn jemand mit dieser ziemlich geradlinigen und holzschnittartigen Betonung des Leistungsprinzips vor die Universität tritt. Innerlich mag es vielen aber nicht geheuer sein. Daher ist es keinesfalls ausgemacht, daß die Professoren im Konzil zu mir halten. Manchem wird da ein gewiefter Taktiker wie Herr Lüthje der sicherere Kandidat sein.

Eine externe Gutachterkommission, die Herr Lüthje eingesetzt hat, um die Qualität der Fachbereiche zu evaluieren, stellt einigen Fachbereichen der Uni schlechte Noten aus. Müßten die ihrer Ansicht nach geschlossen werden?

Es gibt viele Möglichkeiten, Mittelmäßiges nicht zu belohnen. Nur ein Beispiel: Der Wissenschaftsrat hat sich kürzlich gefragt, ob jeder Professor tatsächlich nach einer bestimmten Zahl von Semestern automatisch Anspruch auf ein Forschungssemester haben sollte. Warum sollten Professoren nicht zunächst Projektvorschläge für ihre Forschungsvorhaben einreichen? So kämen nur die Besten in den Genuß eines Forschungssemesters.

Das ist der einzelne Professor. Aber wie steht–s um den Fachbereich? Würden Sie einen schließen, wenn es eine Kommission em-pfiehlt?

Vollkommen tabu darf auch das nicht sein. Aber dafür muß es dann auch gute und überzeugende Gründe geben, die solch einen drastischen Schritt rechtfertigen.

Sie haben einmal gesagt: Wünschenswerte Ziele wie die Frauenförderung müßten gegebenenfalls hinter das Leistungsprinzip zurücktreten. Wollen Sie etwa die Frauenförderung abschaffen?

Nein. Aber wir haben etwa eine Frauenförderrichtlinie, die vorschreibt, daß jede Bewerberin um einen Lehrstuhl, die nach der Papierform auf die Ausschreibung paßt, zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden muß. Wir haben aber nur Geld, um drei Kandidaten zum Gespräch zu laden. Stellen Sie sich mal vor, ich hätte drei Frauen, die auf die Ausschreibung passen ...

...dann laden Sie die drei halt ein.

Und die Männer müßten alle ungeküßt davongehen?

So kann's kommen. Wenn alle drei sehr qualifiziert sind, ist das doch gerechtfertigt. Drei männliche Kandidaten im Bewerbungsgespräch sind ja auch nicht selten.

Ich will damit ja nur sagen, daß Frauenförderrichtlinien manchmal kontraproduktiv sind mit ihrer starken Betonung von rein verfahrenstechnischen Gleichbehandlungsgrundsätzen. Ich bin nachdrücklich für Frauenförderung. Fest steht, daß Talente rar sind und daß sie unter allen Umständen zur Geltung gebracht werden müssen, egal, ob bei Männern oder Frauen. Deshalb ist es schon rein aus ökonomischen Vernunftsgründen nötig, alles zu tun, um diese knappe Ressource von Begabung zu fördern.

Was halten Sie von der Idee, daß sich Universitäten durch Eingangsprüfungen ihre Studenten selbst aussuchen können?

Davon halte ich überhaupt nichts, wenn nur die Zahl der Studenten reduziert werden soll. So sehr ich es auch genieße, in den USA als Gastprofessor vor einer ausgesiebten Minderheit erstklassiger Studenten zu dozieren, so unwohl ist mir jedoch bei dem Gedanken, das einfach auf unsere Verhältnisse zu übertragen.

Seit geraumer Zeit wird auch über Studiengebühren diskutiert.

Es hat nur Sinn, über Studiengebühren zu reden, wenn zwei Voraussetzungen gewahrt sind: Zum einen muß sichergestellt sein, daß die Einnahmen aus den Gebühren nur den Universitäten zufließen und nicht dem Staat. Zum anderen muß ein wirklich intelligentes Darlehensprogramm für Studenten her. Dieses müßte garantieren, daß Studenten ihre Schulden erst dann zurückzahlen müssen, wenn sie im Beruf stehen und ihr Einkommen eine gewisse Grenze erreicht hat. Ohne diese Voraussetzungen halte ich Studiengebühren nicht für sinnvoll. Ich denke aber, es ist fair, daß jemand, der durch den Universi-tätsabschluß ein höheres Einkommen als andere erzielt, sich auch an den Kosten beteiligt.

Wie teuer wäre ein Studium bei Ihnen dann?

Ein Beitrag von 20.000 Mark für ein Studium von zehn Semestern müßte zumutbar sein.

Sollten Sie gewählt werden, was wäre Ihre erste Amtshandlung?

Ich würde als erstes den Dienstwagen des Universitätspräsidenten abschaffen.

Interview: Karin Flothmann