Konsolidierung, leistungsorientiert

■ Depression macht sich breit: Im Forum Hauptstadtkultur in der Akademie der Künste wurden Radunskis Pläne für die Berliner Privat- und Off-Theater diskutiert

Es geht um den Versuch, „modernes Theater möglich zu machen“, sagte Kultursenator Peter Radunski (CDU). Aber darüber, was einerseits unter „modernem Theater“, andererseits unter „möglich machen“ zu verstehen sei, waren sich die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium in der Akademie der Künste am Dienstag keineswegs einig. Was kein Wunder ist. Zur Debatte stand die zukünftige Förderung der Privat- und Off-Theater, und die Bedürfnisse in diesem Großbereich gehen im gleichen Maße auseinander, wie sich die Theaterszene inklusive Tanztheater in den letzten Jahren insgesamt eben aufgesplittert hat.

Dennoch gibt es in dem Struktur- und Sparpapier des Senators einen Förderkreis 3, in dem „kleine und mittlere Privattheater sowie Freie Gruppen der Darstellenden Kunst“ zusammengefaßt werden sollen. Und deswegen saßen bei der vierten Veranstaltung der Reihe Forum Hauptstadtkultur (Moderation: Harald Martenstein) hinter dem Stuhl des Kultursenators leicht zurückgesetzt in einer Reihe: Alfred Bouß (Tanzinitiative), Horst Filohn (Renaissancetheater), Thomas Jonigk (Theater Affekt, Radunski sagte „Theater Aktuell“), Zebu Kluth (Theater am Halleschen Ufer), der Theaterkritiker Rüdiger Schaper, Ilka Seifert (Neuköllner Oper) und Martin Wölffer (Ku'damm).

Zu sagen hatten sie sich nicht viel, denn Radunskis Konzept kümmert sich nur um einige von ihnen: um eine Reihe von kontinuierlich arbeitenden Off-Theatern (wie die Neuköllner Oper), die bisher nach dem regelmäßigen Votum eines Beirats aus dem Topf für Freie Gruppen einen mehrjährigen Zuschuß erhalten. Ab 1999 sollen sich diese nun gemeinsam mit den jetzigen Privattheatern um eine institutionalisierte Förderung bewerben können, die jeweils für vier Jahre garantiert wird.

Das leuchtet ein, weil es der Realität der Spielpläne entspricht, trifft die Privattheater aber hart. Jetzt müssen sie sich der jüngeren Konkurrenz stellen und werden alle vier Jahre geprüft. Und was etwa mit dem Gebäude des Renaissancetheaters passieren würde, wenn das darin wohnende Ensemble aus der Förderung fiele, konnte Radunski nicht sagen. Müßte dann ein anderes Ensemble einziehen, oder würde das Haus anderweitig vermietet?

Der wirkliche Schwachpunkt dieses Modells aber ist, daß die Bewertung von einer auswärtigen Drei-Personen-Jury vorgenommen werden soll. Die Unzufriedenheit darüber war am Dienstag unverhohlen. Um die Szene zu kennen, müßten diese drei ständig hier sein, merkte Schaper an. „Dann aber sind sie nicht mehr auswärtig.“ Radunski lächelte und meinte, es werde sich schon jemand finden. Solch sibyllinische Jovialität machte die Diskussion zur Farce. Denn wie sein Konzept zu verbessern sei, interessierte den Senator nicht. Er sah sich eher auf dem „heißen Stuhl“ und die Geschichte unter Dach und Fach.

Fehlanzeige also für Kulturschaffende wie Zebu Kluth oder den Regisseur Dirk Cieslak (Gruppe Lubricat), die den Umbruch der Förderstruktur als Gelegenheit begreifen wollen, alles neu zu ordnen. Ihre „Initiative Fördermodell 99“ schlägt vor, die Spielstättenförderung zu akzentuieren. Mit eigenen Produktionsetats ausgestattet, könnten diese Häuser – teils als Koproduktionen – ästhetisch verwandte Arbeiten verschiedener Gruppen unter einem Dach präsentieren. Theater als Gefüge von Produktionseinheiten, das holländische Modell. Leider war Kluth auf die Schnelle nicht in der Lage, sein Konzept genau dazulegen, er vermittelte nur, daß seiner Ansicht nach „projektgeförderte Gruppen die Theaterkunst erneuern sollen“, was Radunski natürlich damit kontern konnte, daß die Projektförderung für freie Gruppen ja erhalten bleiben wird.

Wer dieses Geld aber verteilen soll (von der Fortdauer des Beiratsmodells über 1999 hinaus hält der Senator nichts), wurde jedoch nicht mal angesprochen. Jenen vielleicht zwei Dutzend Ensembles, die sich leistungsorientiert konsolidieren wollen, gibt das Radunski-Modell also eine Chance, über die etwa 400 anderen freien Gruppen wird bisher jedoch nicht nachgedacht. Irgendwie sollen sie wohl der Verwaltung überlassen werden, denn eine Selbstorganisation in effektiven Produktionseinheiten wird ja nicht gewünscht.

Depression machte sich breit in der Akademie, einzig eine Nachfrage von Ufa-Juppy erheiterte: „Und was ist mit den Kirchen? Da gibt es Häuser, in denen sonntags manchmal nur 20 Leute drin sind, und trotzdem wird die ganze Woche lang geheizt.“ Petra Kohse