■ Filmstarts à la carte
: Die Banalität des Bösen

Gestapochef in Lyon, Agent amerikanischer Geheimdienste, Berater südamerikanischer Diktatoren – die Karriere des Klaus Barbie war lang und unerfreulich. Ende der achtziger Jahre erwartete ihn dann doch noch der Prozeß wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem französischen Gericht: Grund genug für den Regisseur Marcel Ophuls, den Werdegang des „Schlächters von Lyon“ in dem viereinhalbstündigen Dokumentarfilm Hotel Terminus nachzuvollziehen.

Doch Ophuls Werk ist mehr als nur ein Film über Leben und Wirken eines unverbesserlichen Nazis. Der Regisseur interessiert sich für die Helfershelfer: Wer verriet den französischen Widerstandskämpfer Jean Moulin? Warum kam Barbie nach dem Krieg beim amerikanischen Geheimdienst unter? Weshalb segnete der Vatikan seine Flucht nach Bolivien ab? Und warum wurde er erst Ende der achtziger Jahre an Frankreich ausgeliefert, obwohl seine Identität seit den frühen Siebzigern bekannt war?

Ophuls rührt an Tabuthemen und verdeutlicht, daß vor allem mangelnder Wille der politisch Verantwortlichen für die relative Sicherheit des ehemaligen Gestapochefs sorgte. An der Person Klaus Barbie offenbart sich einmal mehr die Banalität des Bösen: Opfer schildern ihn als sadistischen Folterer, die Tochter erzählt derweil vom zärtlichen Vater, der gern Klavier spielte und daheim mit den Kindern Lieder sang.

Marcel Ophuls dreht Interviewfilme: mit sparsam eingesetztem Archivmaterial und ohne Kommentar. Ophuls verdeutlicht seine Intentionen durch die Montage: Auswahl und Zusammenstellung der Interviews unterstreichen die Aussagen seiner Gesprächspartner oder stellen sie in Frage. So steht manch einer, dem man anfangs noch geglaubt hat, am Ende als Lügner da. „Hotel Terminus“ drängt dem Zuschauer keine platten Botschaften auf – mitdenken muß man glücklicherweise noch selber.

„Heil Hitler!“ erschallt es vielstimmig im Gestapohauptquartier, da tritt auch schon der Führer höchstpersönlich zur Tür herein. „Ich heil' mich selbst!“ Das gibt einen Lacher – doch es ist nur ein Theaterstück, und der Hitlerdarsteller hat wieder einmal extemporiert. Ernst Lubitsch inszenierte Sein oder Nichtsein 1942 als frenetische Farce; damals vielleicht die einzig sinnvolle Methode, dem Wahnsinn von Krieg und Faschismus filmisch beizukommen. „Man nennt mich also Konzentrationslager-Erhardt, haha!“ – der Witz wird so lange wiederholt, bis einem das Lachen im Hals steckenbleibt. Einmal findet der Theaterregisseur seinen „Führer“ nicht echt genug: „Für mich sehen Sie nur aus wie ein Mann mit einem kleinen Bart.“ Antwort: „Das ist Hitler doch auch nur.“

19.–23. 12. und 25. 12. im Notausgang

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der örtlichen Bausparkasse verhilft George Bailey armen Leuten zu netten Eigenheimen. It's a Wonderful Life – aber ausgerechnet am Weihnachtsabend mag George nicht mehr daran glauben und will sich das Leben nehmen.

Da zeigt ihm sein Schutzengel, in welchem Zustand sich die Welt befände, wenn er nie gelebt hätte: Spielhölle statt Bausparkasse und Friedhof statt Eigenheimsiedlung – geschockt kehrt George heim zu Frau und Kindern. Und die Nachbarn, für die er sich sein Leben lang aufgeopfert hat, vergelten ihm seine Güte nun reichlich. Das ist natürlich naiv, sentimental und kleinbürgerlich, also der Weihnachtsfilm schlechthin. Und Regisseur Frank Capra meint es durchaus ernst mit seiner „fantasy of goodwill“: „Niemand ist ein Versager, der Freunde hat.“

21. und 23. 12. im Babylon Mitte

Lars Penning

„Hotel Terminus“, am 20. 12. im Arsenal

„Sein oder Nichtsein“,

„It's a Wonderful Life“,