Hilfe bei den Umwelt-Hausaufgaben

Berlin hat den Zeitplan für die „Lokale Agenda 21“ nicht eingehalten. Nun schließen sich 50 nichtstaatliche Organisationen zusammen. Düstere Bilanz beim Umweltschutz  ■ Von Christian Schäfer

Mit einer spektakulären Aktion haben gestern Umweltschützer den Senat an seine eigenen Versprechen erinnert: Robin-Wood- Mitarbeiter seilten sich vom Dach der „Info-Box“ am Potsdamer Platz ab und erklärten, „Klimaschänder Eberhard D.“ habe „Rio verpennt“.

Gemeint ist die Umweltkonferenz in Rio vor vier Jahren. Dort bekamen die Kommunen den Auftrag, die Umweltschutz-Beschlüsse der „Agenda 21“ auf lokaler Ebene umzusetzen (siehe Kasten). Berlin hat den Zeitplan für die ersten Schritte nicht eingehalten. Daher haben sich jetzt Robin Wood und 53 weitere nichtstaatliche Organisationen zum Projekt „Berlin 21“ zusammengetan. „Das Spektrum reicht vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) über die Volkshochschulen bis hin zum Forschungszentrum Chile/Lateinamerika“, erklärt Lars Vogelsang. Er ist Mitglied der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21), die die Zusammenarbeit bei „Berlin 21“ angestoßen hat. Offiziell wird sich „Agenda 21“ im Frühjahr nächsten Jahres formieren, um den Senat an seine umweltpolitischen Verpflichtungen zu erinnern. „Wir planen ein Buch und mehrere Info- Veranstaltungen. Damit wollen wir eine umweltpolitische Bilanz für Berlin ziehen“, sagt Vogelsang. Laut „Berlin 21“ sieht diese Bilanz düster aus.

In 13 Tagen läuft die Frist ab, in der die Kommunen unter Mitwirkung ihrer Bürger lokale „Agenden“ mit konkreten Umweltschutzplänen erstellen sollen. Robert Große von BLUE 21 erklärt: „In Berlin gab es bisher nur in einigen Bezirken konkrete Schritte, etwa in Köpenick und Lichtenberg. Umweltsenator Strieder hat nichts getan.“

Die Initiative Berlin 21 kritisiert an der Berliner Umweltpolitik, daß sie sich in vielen Details von den in Rio formulierten Zielen entferne. Als die Stadt etwa 1990 dem Klimabündnis beigetreten sei, habe sie sich verpflichtet, bis zum Jahr 2010 den CO2-Ausstoß um die Hälfte zu reduzieren. Im Energiekonzept des Senats vom Dezember 1994 sei nur noch von einer 25prozentigen Verminderung die Rede. Auch einem weiteren wichtigen umweltpolitischen Ziel sei der Senat untreu geworden: Vier Fünftel des Innenstadtverkehrs soll mit dem Öffentlichen Personennahverkehr erfolgen. Doch der Bau des Tiergartentunnels bewirke das Gegenteil: Jeden Tag werden voraussichtlich 58.000 Fahrzeuge den Tunnel benutzen – und damit den Autoverkehr in der Innenstadt deutlich steigern. Große zieht daher als Fazit: „Der Senat hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.“

Das Projekt „Berlin 21“ könne und wolle ihm zwar nicht die Arbeit abnehmen, aber Impulse für eine „lokale Agenda“ geben. Berlin-21-Mitarbeiter Veit Hannemann nennt als Beispiel die Bebauung am Potsdamer Platz: „Wir möchten genau untersuchen, welche Folgen für die Umwelt hier entstehen.“ Dazu gehörten Klima- und Verkehrsanalysen der Innenstadt. Es sei aber verkehrt, dabei an der Stadtgrenze haltzumachen. Ein so gigantisches Projekt beeinflusse nicht zuletzt die Länder der Dritten Welt: „Dort werden viele Rohstoffe für die hiesigen Gebäude abgebaut.“

Rolf Kreibich, Professor am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, betont, es sei höchste Zeit für ein Projekt wie Berlin 21. Denn die etablierten politischen Strukturen seien offensichtlich unfähig, Lösungen für die Umweltprobleme zu finden.