Notizen aus der Provinz

■ Aus, vorbei: Internationales Institut für Traditionelle Musik zieht nach Bamberg

Das Archiv ist verstaut, der Koffer gepackt, nun geht es auf nach Bamberg. Wenn Max Peter Baumann in den nächsten Tagen seine Umzugskartons auf die Reise ins Fränkische schickt, dann wird eines der unrühmlichsten Kapitel geschlossen, das die Berliner Kulturpolitiker in den letzten Jahren geschrieben haben. Das Internationale Institut für Traditionelle Musik, 1963 von Yehudi Menuhin und Alain Danielou in Berlin gegründet, es gibt es nicht mehr. Um so zahlreicher sind die Totengräber dieser bundesweit einzigartigen Einrichtung.

Der Leidensweg des Internationalen Instituts für Traditionelle Musik (IITM) begann 1992: Damals wurden die Zuwendungen von Kultursenator Ulrich Roloff- Momin (parteilos) nach und nach von 1,8 Millionen Mark auf eine Million Mark reduziert. Roloff- Momin war es auch, der die Auflösung des Instituts auf den Weg brachte. Das Werk zu vollenden, blieb dann seinem Nachfolger Peter Radunski (CDU) vorbehalten. In diesem Jahr bekam IITM-Leiter Max Peter Baumann 835.000 Mark überwiesen, das aber nur unter einer Voraussetzung: Der Betrag sollte dazu verwendet werden, die „laufenden Verpflichtungen zu erfüllen“ und sich anschließend selbst zu „liquidieren“.

Wer in der Kulturverwaltung nach den Gründen für die Schließung des IITM fragt, erhält als Antwort ein Achselzucken. Das Geld sei nun mal knapp in Berlin, kann man nichts machen, is' halt so. Daß es sich um einen vergleichsweise geringen Betrag handelt, spielt dabei ebensowenig eine Rolle wie die Tatsache, daß sich das IITM bei seinen internationalen Kooperationspartnern höchster Wertschätzung erfreut.

In den mehr als dreißig Jahren seines Bestehens hat sich das IITM mit der Erforschung außereuropäischer Musikkulturen beschäftigt, hat ein Klangarchiv und eine umfangreiche Musikinstrumentensammlung angelegt, Schallplatten produziert und die Zeitschrift World of Music herausgegeben. Seit 1977 wurden von hier aus die jährlichen Festivals traditioneller Musik organisiert, alles Aktivitäten, die das hiesige Publikum mit Musikrichtungen bekannt machte, die es sonst kaum wahrgenommen hätte.

Doch manchem war der Weltgeist, der durch das IITM wehte, offenbar zu fremd. Anders läßt sich nicht erklären, wie bedenkenlos die Bürokraten das Institut eingestampft haben und wie ignorant sie auf die zahlreichen Rettungsversuche reagierten. Der SFB initiierte eine Spendenaktion mit dem Ziel, eine Stiftung einzurichten. Die erforderlichen 100.000 Mark kamen zusammen, die Gründung der Stiftung wurde beantragt – bislang jedoch ohne Erfolg.

Als es schon fast zu spät war, taten sich plötzlich neue, vielversprechende Perspektiven auf. Nach Verhandlungen, die Baumann mit der Regierung in La Paz führte, sollte das Institut nach Bolivien übersiedeln. Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, schaltete sich sogar der bolivianische Außenminister Antonio Aranibar Quiroga ein. Der Brief, den Quiroga an den Regierenden Bürgermeister schrieb, liegt seit Wochen in den Schubladen des Senats. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) – welch ein Affront – hielt es bislang nicht für nötig, Quiroga zu antworten. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) wurde eingeschaltet, auch das bis dato ergebnislos.

Es wird wohl dabei bleiben: Berlin verliert eine Forschungseinrichtung von Weltruf und hat daran noch nicht einmal etwas auszusetzen. Baumann wird die Arbeit des IITM vorläufig von seinem Lehrstuhl an der Uni Bamberg aus fortführen. Und irgendwann, und auch nur vielleicht, wird man verstehen, was damit verschütt gegangen ist. Baumann jedenfalls hat bis zuletzt gearbeitet. Kürzlich ist Heft 3/96 der World of Music erschienen, darüber hinaus hat der rührige Weltbürger zwei CDs herausgebracht, eine mit der Musik der Sufi, eine mit traditioneller kretischer Musik. Ulrich Clewing