Ein Hauch von Saigon in Lichtenberg

Das vietnamesisch-deutsche Kultur- und Handelszentrum „Phong Lan“ wird am Sonntag eingeweiht. Läden vom Friseur bis zum Café. Vermieter verbietet vietnamesische Gerüche  ■ Von Kathi Seefeld

Ha Mys Mutter betreibt einen Chinaimbiß. Seit wenigen Wochen braucht die Vietnamesin ihr Kind jedoch nicht mehr zur Arbeit mitzunehmen oder es ewig bittend bei Bekannten zu lassen. Ha My geht in den Kindergarten. Der hat geöffnet, auch wenn die Mutter erst spät am Abend von der Arbeit kommt. Der Kindergarten ist eines der ersten Projekte des vietnamesisch-deutschen Kultur-, Handels- und Dienstleistungszentrums „Phong Lan“, das am Sonntag in der Lichtenberger Rhinstraße 139 offiziell eingeweiht wird.

Mit Unterstützung des Vereins Reistrommel haben VietnamesInnen selbst die Voraussetzungen für diese eher seltene Form der Kinderbetreuung geschaffen, einen alten Lagerraum ausgebaut und ihn mit gespendeten Möbeln und Spielzeug eingerichtet. Tam, der „Hausmeister“, baut aus altem DDR-Design Schuhregale und Garderobenleisten. Ngoc, die 1988 nach Berlin kam, um bei Narva Glühlampen am Fließband zu produzieren, fand als alleinerziehende Mutter erstmals seit der Wende wieder Arbeit. „Mittlerweile werden acht Kinder regelmäßig gebracht“, sagt Tamara Hentschel, Mitarbeiterin des Reistrommel e.V. Die Eltern, in der Mehrzahl ehemalige DDR-VertragsarbeiterInnen, wissen das Angebot zu schätzen. Nicht wenige arbeiten nebenan in der großen Markthalle. Mehr als 50 Geschäfte, überwiegend mit Großhandelsangeboten, sind hier in den vergangenen Jahren entstanden. Zigaretten sind tabu, fast täglich ist der Zoll im Haus, um die aus aller Welt eintreffende Luftfracht zu checken. Versuche der Mafia, mit Schutzgelderpressungen einen Fuß in die Tür zu bekommen, habe es dennoch selbst hier schon gegeben, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Die Lebensmittelläden für den Eigenbedarf, kleine Frisierstuben, Restaurants und ein Café verströmen wie kaum ein anderer Ort einen Hauch von Saigon. Wer in der Halle oder auf den Märkten seinen Lebensunterhalt verdienen kann, erfüllt zumindest eine Voraussetzung für sein Bleiberecht. Das allein zählt.

Bei so knapper Freizeit braucht es nicht nur Dienstleistungs-, sondern auch Kunst- und Kulturangebote gleich in der Nähe, sagten sich die Initiatoren. Neu eingerichtet wurde ein Klubraum. Einmal die Woche können die Frauen aus der Markthalle an einem Gymnastikkurs teilnehmen, den ein ehemaliger Karatekämpfer leiten wird. Minh, ein Kunstmaler und Architekt, dessen Pagode in kultureller Eintracht mit einem Weihnachtsbaum derzeit den Raum erfüllt, hat ebenfalls viele Ideen. Auch an eine Bibliothek und Mediathek wurde gedacht, obwohl es schwierig sei, schätzt die Reistrommel-Mitarbeiterin, vietnamesische Filme und Literatur zu besorgen. Tamara Hentschel ist sich sicher: „Hier wird ein bisher einmaliges Angebot entstehen, das auch helfen kann, die Kluft zwischen einer stigmatisierten Ausländergruppe und der deutschen Bevölkerung in Lichtenberg zu überbrücken.“

Sechs Jahre hat der Verein auf dieses Projekt hingearbeitet, und fast wäre alles nichts geworden. Das Arbeitsamt hatte erklärt, daß es keine zu vermittelnden Vietnamesen gebe, der Senat sah aufgrund der Sparmaßnahmen wenig Chancen auf Verlängerung der Lohnkostenzuschüsse für die Reistrommel. „Wir wandten uns an den PDS-Bürgermeister von Lichtenberg und, womit wir nicht gerechnet hatten, alle Parteien faßten einen Beschluß, uns weiter zu unterstützen.“ Angesichts solcher politischen Rückendeckung erklärte sich nicht nur der Senat zur weiteren Finanzierung bereit, auch das Arbeitsamt spielt seitdem mit.

„Am 15. November haben wir die 12 ABM bewilligt bekommen“, sagt Hentschel. Doch Hürden gibt es nach wie vor. Die Vermieterin, die Immobiliengesellschaft mbH für innovative Centren (ici), hat im Mietvertrag gewissermaßen das Verbot fixiert, typisch vietnamesische Gerüche zu verbreiten. So dürfen keine Räucherstäbchen entzündet und es darf auch nicht gekocht werden. Die fast schon abgeschieden liegenden grauen Plattenbauten einer ehemaligen Elektrofirma mit diversen Werkstätten bieten zudem einen recht finsteren Rahmen für das bunte Projekt.

Auch ist Selbstverwaltung für die meisten der VietnamesInnen eher ein Fremdwort, und die Akzeptanz von Lien Herzberg, einer jungen Frau aus dem Süden Vietnams, als Projektleiterin war ebenfalls ein Kapitel für sich. „Da rieben sich jung und alt, Nord- und Südvietnam und nicht zuletzt Mann und Frau“, erklärt Tamara Hentschel. Erst als sich der älteste Mann, den das Projekt von der Sozialhilfe erlöste, für Lien aussprach, wurde sie akzeptiert. Dennoch ist für Reistrommel oberstes Gebot, sich sowenig wie möglich einzumischen. „Nur was den Namen des Zentrums betrifft, haben wir uns für Phong Lan stark gemacht.“ In Vietnam wachsen Orchideen wild, sind nichts besonderes, Unkraut sozusagen. „Doch hier sind sie selten und kostbar.“ Grund genug für Tamara Hentschel, das Projekt nach ihnen zu benennen.

Die offizielle Eröffnung in der Rhinstraße 139, Haus 2, findet am Sonntag ab 18 Uhr statt, ab 15 Uhr ist Kinderweihnachtsfeier. Informationen über Reistrommel e.V., Tel.: 549 57 447