Mord mit VS-Hilfe bleibt ungesühnt

■ Kein Verfahren gegen Hans-Jürgen Przytarski, Staatsanwalt im Schmücker-Prozeß und unter Meineid-Verdacht

Für Meineid, so steht es im Strafgesetzbuch, ist eine Freiheitsstrafe „nicht unter einem Jahr“ vorgesehen. Diese Strafandrohung muß Hans-Jürgen Przytarski nicht mehr fürchten – auch wenn Juristen ihm dreifachen Meineid vorwerfen. Die 17. Große Strafkammer des Landgerichts hat jetzt die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den heutigen Direktor des Landesverwaltungsamtes abgelehnt. Begründung: Es sei „die Verurteilung des Angeklagten nicht zu erwarten“.

Die Verfahrenseinstellung markiert das Ende in einem der dunkelsten Kapitel der Berliner Rechtsgeschichte, dem Verfahren um die Ermordung des Anarchisten Ulrich Schmücker im Sommer 1974. Der ehemalige Staatsanwalt und vormalige stellvertretende Chef des Verfassungsschutzes Przytarski spielt darin ein zentrale Rolle.

Schmückers Ermordung, der Mitglied der revolutionären „Bewegung 2. Juni“ und zugleich Mitarbeiter des Verfassungsschutzes war, führte zum längsten Prozeß der bundesdeutschen Geschichte. Das Verfahren gegen die ehemaligen Mitglieder der Gruppe „2. Juni“ endete nach 15 Jahren 1990 mit der Einstellung. Der Mord sei angesichts einer Reihe von eklatanten Verfahrensfehlern und Rechtsverstößen nicht mehr aufzuklären, befand das Gericht.

Die Richter reagierten damit auf die im Prozeß deutlich gewordenen jahrelangen Vertuschungsmanöver des Verfassungsschutzes. Über dessen Aktivitäten und Wissen habe Przytarski als Zeuge „bewußt wahrheitswidrig“ ausgesagt, stellte das Gericht fest.

Tatsächlich war der Mord an Schmücker unter totaler Kontolle des Verfassungsschutzes verübt worden. Selbst die Tatwaffe wurde dem Verfassungsschutz nach dem Mord überreicht – was der Verfassungschutz mit Wissen des Staatsanwalts Przytarski dem Gericht zehn Jahre lang verschwieg. Die Tatwaffe lag derweil im Tresor der Verfassungsschützer. Das stramme CDU-Mitglied Przytarski verschwieg dem Gericht auch, daß ein flüchtiger Tatverdächtiger ein in die Gruppe eingeschleuster V-Mann war. Außerdem hatte er dem Kronzeugen im Verfahren Vertraulichkeit für Aussagen zugesichert, die die Angeklagten belastete. Dabei wußte Staatsanwalt Przytarski, daß der Kronzeuge selbst schwer belastet war. Im Verfahren wurden die Gespräche der Hauptangeklagten mit ihrem Verteidiger abgehört und die Verteidigung mit V-Männer ausgehorcht.

Seiner Karriere stand dieses dubiose Rechtsverständnis keineswegs im Wege. Im Jahre 1985 wurde er auf Wunsch der CDU zum stellvertretenden Leiter des Verfassungsschutzes gemacht – obwohl selbst die hinter den Kulissen regierenden Alliierten Anstoß an dem Juristen nahmen. Unhaltbar wurde Przytarski erst durch seine Verstrickung in den Antes- Bestechungsskandal. Ergebnis: Przytarski wurde vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen zum Direktor des Landesverwaltungsamtes ernannt. Offenbar hatte sich Przytarski beim Verfassungschutz sehr nützlich für die CDU gemacht: Die SPD warf dem Juristen 1988 jedenfalls vor, er habe beim VS Unterlagen über kommerzielle Fluchthilfeaktionen vernichtet, an denen führende Christdemokraten der Stadt beteiligt waren.

Die Einstellung des Meineid- Verfahrens gegen Przytarski ist typisch für die Verschleppungstaktik. Über vier Jahre ermittelte zunächst die Staatsanwaltschaft, bis sie Anfang 1994 endlich Anklage gegen den 56jährigen Przytarski erhob. Die 17. Große Strafkammer des Landgerichts ließ sich dann noch einmal fast drei Jahre Zeit, bis sie das Verfahren nun einstellte. Ihr Beschluß ist rechtskräftig, weil auch die Staatsanwaltschaft kein weiteres Verfolgungsinteresse hat. Gerd Nowakowski