■ Vorlauf
: Ulkig-traurige Lebensklugheit

„So wahr ich liebe“, 23.25 Uhr, B 1

Lothar Lambert ist jetzt 52 Jahre alt und außerdem „Berlins Antwort auf Andy Warhol“. Seit fast zwanzig Jahren macht er Filme, die „Du Elvis, ich Monroe“ oder „Die Alptraumfrau“ heißen. Lothar Lamberts Filme leben von der liebenswert infantilen Neugier des Regisseurs und der naiven Distanzlosigkeit seiner Laiendarstellerinnen. Nilgün Taifun und Renate Soleymany sind zwei von Lamberts Stars. Die erste erlangte als erblondete Monroe und Charaktermutter lokale Berühmtheit, die zweite als sogenanntes „Tittenmonster“. Jahre später erzählen Nilgün und Renate Soleymany nun von Liebschaften, Wahrheit, schlechten Liebhabern, Gewalt und Tod. Nachrichten vom Rande eines Alltags, wie wir ihn nicht kennen. Und um es gleich zu sagen: Die sechzig Minuten Film sind viel zu kurz.

Nilgün sitzt in der Badewanne und erzählt von ihren Liebesnächten: „Die älteren Männer“, so bringt sie uns bei, „sind sehr arbeitsam — und dankbarer.“ Ihre Stimme ist hoch, ein bißchen dünn und sehr fremd – fremd wie die von Renate, nur daß Renates zu lange im Rauchfang gehangen haben muß.

Szenen aus Lamberts alten Filmen treffen auf die Gegenwart der beiden Frauen, ohne daß man so recht weiß, was oder wer denn nun von heute oder gestern, real oder gespielt ist. Regisseur Lambert schickt sein Publikum nie in die Freakshow. Allgegenwärtige Armut und noch größere Sehnsucht springen einen aus allen Winkeln dieser beiden Leben an. Renate: „Wir hatten Sex und uns auch geliebt“, Druckblumen blühen auf ihrem mächtigen Busen. Nilgüns Badezimmer ist schwarz gekachelt wie ein Sarg, ihre ulkig-traurige Lebensklugheit erschlägt einen. Wahrheit, Liebe, große Erwartungen, unerträgliche Schmerzen. Am Ende wird selbst der Kamera schwindlig. Man weint und lacht, wenn Lothar Lambert einem immer wieder beibringt, was für ein mieser kurzer Film das Leben sein kann. „Manchmal erzähl' ich was von mir aus, und das ist dann auch gar nicht so schlecht“, sagt Nilgün. Anke Westphal