Fatale Konkurrenz

■ Zahlreiche TÜV-Fehler bei der Genehmigung des AKW Krümmel

Berlin (taz) – Das Haupttor blockiert und den Personaleingang mit einer Gedenktafel verrammelt – so hatte gestern Robin Wood die Stillegung des Skandal-AKW Krümmel an der Elbe südlich von Hamburg vorweggenommen. Zum Gedenken an die drei schon gestorbenen Kinder rund um das Atomkraftwerk legten Bürgerinitiativen vor Ort auch Kränze nieder. Daß das AKW von der Genehmigungsbehörde, dem Energieministerium Schleswig-Holstein, gestoppt werden muß, ist für Robin-Wood-Sprecherin Brigitte Köhnlein sicher: „Der Druckbehälter war nie genehmigungsfähig. Er ist nur durch Täuschung der Behörde und der Gerichte durch das Genehmigungsverfahren gebracht worden.“

Schon in der TV-Sendung „Monitor“ waren Ende Oktober Fehler beim Bau des Reaktordruckbehälters aufgezeigt worden. Teile des Stahlkessels paßten nicht aufeinander und wurden mit hydraulischen Pressen gedehnt. Robin Wood legte gestern eine Liste mit 20 Punkten vor, die eine Genehmigung des AKW Krümmel eigentlich unmöglich gemacht hätten. Sie werden in der morgigen Ausgabe der taz ausgiebiger dokumentiert. Der TÜV legte die Kriterien für die Begutachtung von Teilen vor, nachdem diese schon erbaut waren – genehmigt wurde trotzdem. Teilweise wurden sogar Blankogutachten ausgestellt, in die der Erbauer dann die gewünschten Teile einfügte. Behörden wurden mit falschen Daten versorgt, negative Gutachten revidiert.

Das Problem stammt noch aus den Jahren 1970 bis 1973. Damals schrammte die Krümmel-Konstruktionsfirma AEG knapp an der Pleite vorbei. Als einen der Rettungswege sahen die Konzernbosse die Profite aus dem Bau von AKW an. Doch just zu diesem Zeitpunkt kam Siemens mit einer neuen Linie von Druckwasserreaktoren mit eine Leistung von 1.200 Megawatt heraus. Das drohte für AEG zu einer tödlichen Konkurrenz zu werden. Ihre Siedewasserreaktoren waren zwar etwas billiger, hatten aber nur eine Leistung von 600 bis 800 Megawatt. Die Lösung à la AEG: Die Baupläne wurden ohne größere Forschungsarbeiten auf 1.300 Megawatt „hochkopiert“ – in der Annahme, daß alles noch funktioniert, wenn es in einer doppelt so großen Anlage arbeitet. Einer der Denkfehler dabei waren die Lieferanten: Sie waren auf die neuen Anforderungen nicht eingerichtet. Sie konnten noch nicht einmal die Stahlbleche in der geforderten Größe herstellen. Reiner Metzger