Die nächste Werft treibt kieloben

„Blohm & Voss wird 1997 geschlossen“ soll der Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein gesagt haben und bestätigt damit ein zähes Gerücht. Die Zukunft der Werft liegt in der Türkei  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Wann immer bei der Hamburger Werft Blohm & Voss nach der Schließung gefragt wird, antworten Betriebsrat und Geschäftsführung mit brüchiger Stimme und wiegeln ab. Bislang wollte niemand zugeben, daß die Werft mittelfristig keine Chance hat und der Standort in Hamburg gefährdet ist. „Blohm & Voss wird im kommenden Jahr geschlossen“, wurde gestern Peer Steinbrück, Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, gestern vom Flensburger Tageblatt zitiert.

So deutlich will Steinbrück das nicht gesagt haben. In einem Hintergrundgespräch habe er über den Schiffbau in Deutschland gesprochen. Er habe auf „den unabweisbaren Anpassungsdruck“ der Werften hingewiesen, wie Steinbrück dem B&V-Betriebsratsvorsitzenden Otto Tetau gestern eiligst schrieb. Und weiter: „Ich habe [...] keine autorisierten Informationen über die Zukunft von Blohm & Voss.“ Von einer Gegendarstellung im Flensburger Tageblatt sieht der Wirtschaftsminister jedoch ab.

Warum auch. „Die ganze Küste spricht davon, daß Blohm & Voss zumacht“, sagt Klaus Mehrens, Generalbevollmächtigter der IG Metall Küste. Nur wann und wie sei eben unklar. Bis Ende 1998 sind die rund 800 Arbeiternehmer im Schiffsneubau bei B&V ausgelastet. Die noch rund 400 Arbeiter im Reparaturbetrieb bescheren jedoch B&V-Mutterkonzern Thyssen seit drei Jahren Verluste in zweistelliger Millionenhöhe.

1998 läuft die letzte Fregatte für die türkische Kriegsmarine in Hamburg vom Stapel. Danach wird B&V mit der Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) und Thyssen-Nordsee Werft drei Fregatten für die Bundesmarine bauen – wenn das Verteidigungsministerium die Verträge unterzeichnet und sie nicht weiteren Sparplänen geopfert werden. Die bereits vorliegenden Folgeaufträge aus der Türkei werden jedenfalls am türkischen Marmarameer ausgeführt. Dort werden die bislang gelieferten Fregatten auch gewartet. Schon seit zwei Jahren schulen B&V-Mitarbeiter türkische Kollegen und liefern das Know-how für die nächsten Schiffe. Im Betrieb wird offen über die Standortverlagerung an die türkische Küste diskutiert. B&V- Betriebsrat Tetau und Thyssen- Sprecher Wewers wollen davon nichts wissen und reagieren unterkühlt. Sie vermuten ebenso wie IG-Metaller Mehrens, daß Steinbrück eine „standortpolitische Initiative“ zu den Prognosen für B&V bewogen hat: Wenn Blohm & Voss als zuverlässige Werft zerredet wird, könnte HDW den ganzen Fregattenauftrag bekommen. Und HDW liegt schließlich in Kiel.