Hat Rita Süssmuth die Flugbereitschaft der Luftwaffe privat genutzt? Die Vorwürfe werden immer bizarrer. Pikant: Bisher wollten fast nur Oppositionspolitiker Ehrenerklärungen für sie abgeben. Die Anzeichen für eine gezielte Kampagne der Parteifreunde mehren sich Von Bettina Gaus und Jan Feddersen

Noch muß sie nicht fliegen

Das jüngste ZDF-Politbarometer wies sie als beliebteste Politikerin Deutschlands aus. Deutlich liegt sie vor Bundeskanzler Helmut Kohl, der nur auf dem vierten Rang landete. Kann der das Rita Süssmuth verzeihen?

In Bonn wollen Gerüchte einfach nicht verstummen, denen zufolge es sich bei der angeblichen Affäre um die Flugreisen der Bundestagspräsidentin um eine gezielte Kampagne eigener Parteifreunde handelt, mit der die Politikerin aus dem Amt gedrängt werden soll. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer hatte schon zu Wochenbeginn vermutet, „mächtige Feinde“ von Rita Süssmuth seien da am Werk.

Die will von einem Rückzug allerdings – bisher – nichts wissen: „Sie denkt nicht daran, sich mit diesen Vorwürfen aus der Politik zurückzuziehen“, so ihre Sprecherin Huberta von Voss-Wittag zur taz, „die Vorwürfe sind haltlos.“

Die Anwürfe durch die Bild werden immer bizarrer. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob Rita Süssmuth die Flugbereitschaft der Bundeswehr privat genutzt hat. Wird die dienstliche Teilnahme an einer Veranstaltung zu einem Privatvergnügen, wenn ein Familienmitglied vorbeikommt?

Die Bild „enthüllte“ nun gestern, daß die Bundestagspräsidentin auch ihre Tochter getroffen habe, als sie Ende Januar 1995 am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnahm. Mehr noch: Nach einer Rede Süssmuths in Zürich soll die Politikerin ihre Tochter im Hotel getroffen haben. Welch Skandal!

Pressesprecher und Regierungspolitiker zeigen sich unterdessen im vorweihnachtlichen Bonn ganz ungewöhnlich wortkarg. Wenn überhaupt, mögen sie allenfalls mit nicht zitierbaren Hintergrundinformationen dienlich sein. Zu Ehrenerklärungen haben sich bisher nur wenige bereit gefunden. Welch Pikanterie, daß es vorwiegend solche aus dem oppositionellen Spektrum sind, die der CDU-Politikerin Integrität bescheinigen. In Regierungsreihen gilt: Niemand weiß, wem diese öffentlich präsentierte Recherche nützen könnte.

Wolfgang Schäuble, Fraktionsvorsitzender der Union, hatte mit Rita Süssmuth bereits am Montag gesprochen. Aber erst gestern war er in der Bundespressekonferenz auf Nachfrage bereit zu sagen, er „habe nicht den geringsten Anlaß zu bezweifeln“, daß die Politikerin die Flugsicherung nur aus dienstlichem Anlaß benutzt habe. Sein Stellvertreter Rudolf Seiters, der als möglicher Süssmuth-Nachfolger gehandelt wird, will „Gerüchte, die jeder Grundlage entbehren“, nicht kommentieren.

Umstritten ist die Frage, ob die Flugsicherung bei der Abreise von dienstlichen Terminen nur zurück an den eigenen Wohnort gestattet ist oder auch dorthin, wo sich gerade die Familie aufhält. Hans- Dieter Wichter, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, meinte gestern, angesichts des Arbeitspensums der Anspruchsberechtigten der Flugbereitschaft müsse es bei der Frage, wo sie ihr Wochenende verbringen, „einen gewissen Ermessensspielraum“ geben.

Bundeskanzler Helmut Kohl ist bislang lediglich Vermutungen entgegengetreten, ihm käme die Affäre Süssmuth gelegen. Er lege Wert auf die Feststellung, „daß es in der Führung der CDU keine Bestrebungen gibt, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zu schaden“, erklärte Regierungssprecher Peter Hausmann. Die Zeitungsberichte seien „pure Erfindung“. Vom Kanzler selbst war zur Ehrenrettung Süssmuths nichts zu hören.

Die Bundestagspräsidentin befindet sich in der Zwickmühle. Schweigt sie, entsteht der Eindruck, sie habe doch etwas zu verbergen. Geht sie vor die Presse, läuft sie Gefahr, ihren Stellvertreter Hans-Ulrich Klose (SPD) zu verärgern. Ihn hat sie gebeten, ihr Verhalten zu überprüfen und dem Ältestenrat bei der nächsten Sitzung am 16. Januar einen Bericht vorzulegen. Gestern erklärte er nach „erster Durchsicht der Flugpläne“, es gebe keine „Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Nutzung der Flugbereitschaft“.