Im Sprachstrom

■ Premiere der Reihe „CinePoetry“

Die Idee klingt vielversprechend: Poesie mit Kinematographie zu konfrontieren. Das versucht CinePoetry, eine monatliche Veranstaltungsreihe vom Abaton-Kino und der Literaturagentur Keil & Keil. „Der Text als Ausgangspunkt für die bewegten Bilder auf der Leinwand, Kino als Inspiration fürs Schreiben. Grenzen, die verwischen“, verspricht CinePoetry.

Zur Premiere traf der schweizer Autor, Soziologe und Bildende Künstler Urs Jaeggi auf den australischen Lyriker John Kinsella. Vor der Kinoleinwand trugen die Schriftsteller im Halbdunkel des Abaton ihre Texte vor – simultan. Aus englischen und deutschen Wortkaskaden, Unterbrechungen, Klang- und Wortfragmenten entstand ein Sprachstrom, ein momentaner Jaeggi-Kinsella-Sound. „Ich habe in diesem Jahr wohl achtzig Lesungen gemacht“, erklärte Kinsella, „das Vortragen der Texte erschöpft sich. Ich suche nach offenen, neuen Vortragsformen.“

Wie harte Schnitte ließen Jaeggis Textbruchstücke und Kinsellas Poesiesplitter keine Sinngebung zu, blieben unverbunden. Die „Talking Heads“ erzeugten – absichtsvoll – einen wider-sinnigen Wortwechsel. Der Lesung folgte ein weiterer Schnitt: der Film Blue Velvet von David Lynch. Die meisten Zuhörer verließen den Saal; auch Jaeggi und Kinsella blieben der Vorführung ihres Wunschfilms fern. Der erste CinePoetry-Abend endete als eine verstörende, unverbundene Präsentation von Dichterworten und Filmbildern. In der Kino-Finsternis verklang die Lesung, es blieben die grellen Bilder von Blue Velvet.

Frauke Hamann