Marlene statt Kaiser Wilhelm

■ Der Streit um Marlene-Dietrich-Ehrung in Schöneberg geht weiter. Neuer Vorschlag: Kaiser-Wilhelm-Platz nach der Diva benennen. Ausstellung abgesagt

Der Streit um die Ehrung von Marlene Dietrich in Schöneberg scheint zu einer endlosen Geschichte zu werden. Die Bezirksverordnetenversammlung Schöneberg hat am Mittwoch Pläne zur Umbenennung des Tempelhofer Wegs in Marlene-Dietrich-Straße zurück in den Ausschuß verwiesen. Die SPD hielt weiter an dieser Variante fest, die CDU plädierte nach wie vor für einen Marlene- Dietrich-Platz direkt vor dem Bahnhof Papestraße. Und die Bündnisgrünen stellten einen völlig neuen Vorschlag zur Diskussion: Der Kaiser-Wilhelm-Platz könne doch den Namen der Diva tragen. Ursprünglich hatten die Bündnisgrünen in Erwägung gezogen, den künftigen Regionalbahnhof Papestraße nach Marlene Dietrich zu benennen. „Noch ist alles im Gespräch“, sagt die grüne Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer. Die Bündnisgrünen hätten lediglich eine weitere Variante zur Diskussion stellen wollen. „Ich würde es angemessen finden, den Kaiser-Wilhelm-Platz umzubenennen.“ Er liege zentral, und es würden nur relativ wenige Anwohner von einer Adreßänderung betroffen.

Fred Ostrowski, Künstler und „Marlene-Fan aus Leidenschaft“, ist begeistert. „Weg mit Kaiser Wilhelm und her mit Marlene Dietrich.“ Den SPD-Vorschlag hielt Ostrowski nie für eine gute Idee. Schließlich sei der Tempelhofer Weg eine Gewerbegebietsstraße und Marlenes unwürdig. „Der ist einfach nicht marlenig. Er hat keinen Stil, keinen Charme.“

Am 27. Dezember wäre Marlene Dietrich 95 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß wurde gestern im Rathaus Schöneberg eine Ausstellung eröffnet. Abgesagt dagegen wurde eine andere Ausstellung („Marlene – Eine Berlinerin in der Welt“), die Mitte Januar in der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg eröffnet werden sollte. „Es war alles vorbereitet“, sagt Initiator Fred Ostrowski. Warum die Ausstellung abgeblasen wurde, verläuft sich im Behördendschungel. Die Kulturbrauerei als Veranstalter hatte zwar rechtzeitig, Ende August, einen Antrag auf finanzielle Unterstützung bei der Deutschen Klassenlotterie eingereicht. Weil der Antrag nicht vollständig war, so die Senatskulturverwaltung, die jeden Antrag prüfen muß, sei er zurückgegangen und erst am 10. Dezember neu eingereicht worden. Viel zu spät, um noch auf der Tagungsordnung des Stiftungsrates der Deutschen Klassenlotterie am 18. Dezember zu landen. „Uns wurde immer wieder versichert, der Antrag werde wohlwollend behandelt, auch wenn er noch kurzfristig nachgereicht werde“, zeigt sich Galerieleiterin Christiane Heinzig enttäuscht.

Inzwischen hat sich auch der Kurt-Schumacher-Kreis, ein Zusammenschluß von politischen Häftlingen aus der Nazizeit, in die „unwürdige“ Marlene-Dietrich- Diskussion eingeschaltet. Der Vorsitzende des Kreises, Hermann Kreutzer, verschickte unter anderem an Bundeskanzler Kohl und den Regierenden Bürgermeister Diepgen einen Protestbrief, in dem er beklagt, daß es „bis heute keine Aussage von deutschen Politikern“ gebe, „die die politische Moral einer der größten deutschen Frauen der Zeitgeschichte würdigt“. Marlene Dietrich habe schließlich erhebliche Summen für Hitler-Verfolgte aufgewendet und damit viele Menschen vor Hitlers Kerkern gerettet. Jens Rübsam