Das Portrait
: Vom Retter zum Totengräber

■ Dietrich von Boetticher

Einen Mann wie ihn muß sich jedes ambitionierte verlegerische Unternehmen heutzutage wünschen: Durch Geschäfte mit Patentrechten und Immobilien zu Geld gekommen (eine ganze Menge soll es sein), doch an mehr interessiert als an den Renditen der Investorenmodelle. Verlegerisch ein Neuling, doch mit augewiesenen publizistischen Zielen. Der Redaktion der Wochenpost schien unverhofft der Retter ins Haus gekommen, als Dietrich von Boetticher, 54, im letzten September in die Redaktionsräume schneite und verkündete, dies sei der Höhepunkt seiner Tage, einen Traum habe er sich erfüllt. Zumal der Neuverleger das Blatt von den Launen des unfähigen Hamburger Großverlags Gruner + Jahr erlöste. Doch der Retter sollte zum Totengräber werden.

Als Dietrich von Boetticher am Donnerstag wieder in die Redaktion kam, die längst in seine eigene Immobilie gezogen war, da war von Träumen keine Rede mehr. Auch nicht von den fünf Jahren Bestandsgarantie, von denen der Neuverleger damals gesprochen hatte. Am selben Tag verließ der Münchner Anwalt Berlin wieder: Er hatte ein neues bedürftiges Qualitätsobjekt gefunden, die Hamburger Woche (siehe Seite 12).

Boetticher hat es stets verstanden, eine schemenhafte Größe zu bleiben: eine Flüchtlingsjugend, eine Anwaltskanzlei in Washington, eine Freundschaft mit Golo Mann – viel mehr war nicht bekannt. Das änderte sich 1988 ein klein wenig: von Boettichers Gesellschaftseintritt begann mit Rennpferden. Bereits sein erster Hengst Luigi gewann das Deutsche Galopper-Derby – von Boetticher: „ein reiner Zufallstreffer“. Auf die Pferde folgte die Akquisition angezählter Buchverlage. Nach Luchterhand, Limes und Volk & Welt sollte es dann auch eine Zeitung sein. Als Verhandlungen mit der taz scheiterten, wies ihn Luchterhand-Autorin Christa Wolf 1995 auf jenes Blatt im Osten hin – die Wochenpost kannte Boetticher noch nicht mal. Und die Freude Boettichers an dem Verlustobjekt währte nur kurz. Hier ging es nicht, wie einst bei Luigi, um das „Glück der Dummen“, sondern um den langen Atem, das einzig meinungsbildende Blatt des Ostens am Markt zu halten. Und anders als im Pferderenngeschäft spielte im Verlegerspiel Boetticher selbst das Schicksal: 55 Wochenpost-Beschäftigte stehen nach der Einstellung auf der Straße. Lutz Meier