Mutation statt Revolution

Die französischen Kommunisten bereiten sich auf ihrem 29. Parteitag auf das Mitregieren vor. Orthodoxe sehen sich an den Rand gedrängt, ein Symbol nach dem anderen fällt  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Vor dieser Partei braucht niemand mehr Angst zu haben: Für ihren 29. Kongreß haben die französischen Kommunisten ein Rundumlifting veranstaltet. Statt in dem kommunistischen Pariser Vorort Saint Denis treffen sich die Delegierten in einer Hochburg des französischen Kapitals, direkt unter der Arche de la Defense im Westen von Paris, statt von „Klassenkampf“ reden sie von „Bürgerbeteiligung“ und statt der „Revolution“ steht nun die „Mutation“ der Gesellschaft auf den Programm.

Der 1994 gewählte Nationale Sekretär Robert Hue – ein lächelnder kleiner, rundlicher Krankenpfleger – hat den Laden umgemodelt. Der erste Parteikongreß unter seiner Ägide, der am Dienstag eröffnete und bis morgen dauern wird, findet ohne Ausschluß der Öffentlichkeit statt, und die Tribünen zwischen Führung und den über 1.500 Delegierten sind abgeschafft.

Verschwunden sind auch die Bilder von den Klassikern Marx, Engels etc. sowie die altbekannten Symbole der kommunistischen Bewegung. Statt Hammer und Sichel weht die französische Fahne über den Delegierten. Nach der Abschaffung des „demokratischen Zentralismus“ beim 28. Parteitag ist dies die zweite sichtbare Reform.

Die Botschaft ist klar: Die Partei, die bei den Präsidentschaftswahlen 1995 noch knapp neun Prozent der Stimmen bekam, ist die Opposition leid. Robert Hue möchte die „Linksunion“ mit den französischen Sozialisten, der Bürgerbewegung und einem Teil der Grünen – und er möchte mitregieren. Zu diesem Zweck hat er einen Spagat zwischen den weit auseinanderdriftenden Positionen von „Orthodoxen“ und „Reformern“ der Partei versucht. Morgen wird der Parteitag über sein „Mutations-Programm“ abstimmen, das seit Monaten in den 15.493 Zellen der KPF diskutiert wird.

Die entschiedensten Widersache der Linie Hues allerdings werden an der Abstimmung gar nicht teilnehmen. Exparteichef Georges Marchais, Führungsfigur der stalinistischen Apparatschiks, liegt mit einem Herzleiden im Krankenhaus. Zahlreiche „Klassenkämpfer“ von der Basis, die dem Kongreß fern blieben, überlegen bereits, wo sie ihre künftige politische Heimat finden.

Und schließlich gab der prominenteste Reformer, Ex-ZK- und Expolitbüromitglied Philippe Herzog, am Donnerstag seinen Parteiaustritt bekannt. Nach zwölf Jahren Dissidenz stellte er resigniert fest: „Die KPF ist heute weniger agressiv, aber die Linie bleibt im wesentlichen unverändert.“ Herzog, der sein Mandat im Europaparlament beibehält, will sich künftig verstärkt um die Debatte um die Währungsunion und andere Zukunftsfragen einmischen.

Aus dem Nationalen Büro – das frühere Politbüro –, nicht jedoch aus der Partei austreten wird auch der Chef der Gewerkschaft CGT, Louis Viannet. Die Rolle der CGT als „Transmissionsriemen“ der Parteiführung in die betriebliche Basis ist damit offiziell beendet. Sollte die KPF tatsächlich Minister in eine künftige Regierung entsenden, hätte die Gewerkschaft damit freie Hand, trotzdem zu streiken.

Geblieben ist der Partei eine immer noch beeindruckende Mitgliederzahl – die Parteiführung spricht von unwahrscheinlichen 270.000 – sowie 74 Parlamentsabgeordnete, 15 Senatoren, 7 Europaabgeordnete, 128 Regionalräte und 258 Generalräte sowie ansehnliche 920 Bürgermeister, davon 39 in Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnern. Die Interessen dieser gewählten Kommunisten sowie die der zahlreichen hauptamtlichen Kommunisten dürfte der 29. Parteikongreß ganz sicher wahren.

Bewahren wird er als letze kommunistische Partei Westeuropas auch das „K“ im Titel. Sollte auch dieser Buchstabe noch fallen, würden die „Orthodoxen“ – allen voran die für das Image so wichtigen Widerstandskämpfer aus der Résistance – auf der Stelle und ziemlich geschlossen austreten.