Sowjetunion light

■ Frankreichs Konservative erschweren Einwanderung

Jeder, der früher einmal versuchte, die Sowjetunion zu besuchen, kennt die Hindernisse, die einem die Einreise erschwerten. Formulare, Unterschriften, Fristen, Apparatschiks. Oft genug mußte man den Freunden am Ende sogar absagen.

Dieses System von Kontrolle, Schikane und Verbot soll jetzt in Frankreich wiederbelebt werden. Unter dem populären Motto „Kampf gegen die illegale Einwanderung“ hat die Nationalversammlung in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das bei Realisierung eine „Sowjetunion light“ aus unserem westlichen Nachbarn machen würde.

Wer künftig in Frankreich Gäste aus Ländern außerhalb der EU aufnehmen möchte, muß sich einer Kontrolle von Bürgermeister und Polizei unterwerfen. Ersterer schnüffelt sich durch Familienstand, Einkommens- und Verwandtschaftsverhältnisse, letztere ist für die Bestandsaufnahme vor Ort zuständig. Bieten die Gastgeber „normale Bedingungen“, dürfen sie ihren potentiellen Gästen die Einladung samt „Beherbergungsnachweis“ schicken, mit der jene dann versuchen können, ein Visum zu erhalten.

Sollte der Besuch tatsächlich zustande kommen, müssen die Gastgeber spätestens eine Woche danach eine Abreisebestätigung an die Behörden schicken. Daß sich alle Beteiligten in einer Kartei wiederfinden, versteht sich von selbst – schließlich ist die Fahndung nach illegalen Einwanderern ein nationales Interesse.

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, wie die Versuche, einen algerischen oder malischen Freund einzuladen, künftig verlaufen werden. Und das nicht nur in rechtsextrem regierten Städten wie Orange. Fast überall in Frankreich überschlagen sich Politiker in Zugeständnissen an die vermeintliche oder tatsächliche Fremdenfeindlichkeit der Bevölkerung. Das war auch in der Nationalversammlung so – die Konservativen überboten sich gegenseitig in Verschärfungsvorschlägen, die sozialistische Opposition glänzte durch beinahe vollständige Abwesenheit.

Die wenigen Menschen – darunter zahlreiche „irreguläre Einwanderer“, die vor der Nationalversammlung gegen den Rechtsabbau protestierten – haben nicht viel vom Mutterland der Menschenrechte zu erwarten. Dorothea Hahn