Uschis Himbeerschaumbad

■ Im Schlachthof war Deutschpunk-Gipfeltreffen. Die Duo-Kritik liefern Lars Reppesgaard und Helene Hecke

L.R.: Das war also das Deutschpunk-Gipfeltreffen: „Dackelblut“, „Boxhamsters“ und „EA 80“, drei der populärsten deutschsprachigen Punkbands, füllten dank eines wirklich fairen Eintrittspreises am Samstag den Schlachthof bis unters Dach, spielten massig Zugaben und trotzdem blieb ein flaues Gefühl.

H.H.: Wenn von tausend Konzertbesuchern die Hälfte aus Nürnberg und Cottbus oder sonstwo angereist waren, sind die Erwartungen hoch.

Es stand kein Dumpf-Punk auf dem Programm, sondern die Erste Liga Alte-Herren: Statt Iro und Nietenlederjacke anständige Frisuren und Bauchansätze auf der Bühne.Trotzdem fehlte im ausverkauften Schlachthof das Besondere, der Kultfaktor.

„Dackelblut“ fingen ja gut an: treibende Gitarren und der Kontrast zwischen der entspannten Schlagzeugarbeit und der rauskotzenden Stimme vom Sänger Jensen...

Das hatte auf der Bühne richtig Energie und funktionierte vor 1000 Leuten genauso wie vor zehn. Die „Boxhamsters“ spielen dagegen Balladen, Studentenschlager, die haben auf so einer großen Bühne keine Magie.

Dafür brachten sie die besten Coverversionen des Abends: Klassiker von „Nichts“, „Fehlfarben“ und das großartige „'76“ von den „Blumen am Arsch der Hölle“.

Aber sobald sie mal selber einen schnellen Song machen, ist das bei dem schlaffen Gitarrensound- Schrott.

Dafür haben die Gießener textlich da weitergemacht, wo die Punk-Geschichte Mitte der 80er Jahre aufgehört hat, jenseits von Bullen- und Bierdosenparolen. „Tocotronic“ würden heute kaum über Alltagsbefindlichkeiten singen, wenn die alten Herren nicht vorher neue Themenkreise erschlossen hätten. Ist es gleich unpunk oder unpolitisch, wenn man statt Anti-Nazis-Slogans über Brillenprobleme oder die Liebe singt ...

... oder über „Uschis Himbeerschaumbad“? Naja, eigentlich geht es ja um die Musik und nicht darum, ob das Publikum zur Band paßt. Die Musik hatte vor dieser Kulisse keine Seele. Und „EA 80“ bieten nun seit zwölf Jahren akkuraten Schraddelsound, Schwarzweiß-Cover und lyrische Lieder, die alle auf e-moll anfangen.

Die ganze Inszenierung kam mir früher abgehobener vor, nach dem Klischee „Heldentenor“ nach Wagner. Das war diesmal nicht so zu spüren. Trotzdem gefällt mir die Rotzlöffel-Pose der „Boxhamsters“ besser. „EA 80“ wirkten schon alt, als sie ihre erste Platte gemacht haben.

Aber wenigstens brachten sie einen live trotz akuter Stimmprobleme zum anderen Hinhören.Trotzdem: In diesem überdimensionierten Rahmen ging etwas verloren. von dem alle drei normalerweise leben: der direkte Draht zum Publikum.

Schade, statt der Summe von drei Kapellen mit Persönlichkeit war das nur ein ziemlich normales Rockkonzert.