Klemann beißt nur in saure Mostäpfel

■ Weil einheimische Mostapfelbäume nicht schnell genug gedeihen, kauft die Bauverwaltung für die Dächer der neuen Rad- und Schwimmsporthalle 450 dicke Mostbäume im Elsaß. Schreyer: „Lächerlich“

Der berühmt-berüchtigte Deutsche Mostapfelbaum (arbor mostus germanicus) ist der Bauverwaltung nichts wert. Weil der Obstbaum in den Baumschulen der Stadt angeblich nicht schnell genug gedeiht und „kein marktgängiges Produkt“ bildet, hat Bausenator Jürgen Klemann (CDU) für die Bepflanzung der neuen Velo- und Schwimmhallendächer französische Apfelbäume bestellt. Die 450 Mostapfelbäume für das Sporthallendach sollen bis 1997/98 im Elsaß heranwachsen. Klemann vergab den Auftrag ins Ausland, da für die Gestaltung der beiden Hallendächer des Architekten Dominique Perrault eine „Bepflanzung mit Stammumfängen zwischen 25 und 50 Zentimeter“ vorgesehen sei. Das sieben Hektar große Obstplateau müsse durch „angemessen große Bäume akzentuiert werden“. Kleinere Bäumchen verschandelten dagegen die Architekten-Vision.

Perrault hatte in seinem Olympia-2000-Entwurf die Rad- und Schwimmhallen unter die Erde verbannt und eine begehbare Wiese mit Bäumen als Dachlandschaft vorgeschlagen. Das im Rohbau fertiggestellte Projekt kostet das Land rund 750 Millionen Mark. Die Radhalle wird 1997 mit dem Sechs-Tage-Rennen eröffnet, die Schwimmhalle ein Jahr später.

Marktabfragen, so die Bauverwaltung, hätten ergeben, daß die 450 Bäume „nach Art und Größe von den örtlichen Baumschulen nicht im Normalsortiment“ vorgehalten würden. Eine Ausschreibung hätte kein annehmbares Angebot erbracht. Weil davon „auszugehen sei, daß zum Zeitpunkt der Liefernotwendigkeit nur Bäume mit Stammumfängen von 14 bis 16 Zentimenter“ zur Verfügung ständen, habe man sich entschlossen, auf bereits wachsende elsässische Bäumchen zurückzugreifen. Der Vertrag mit den französischen Mostbaumzüchtern ist bereits geschlossen.

Michaele Schreyer, finanzpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, kritisierte die Apfelbaumaktion. Mit Blick auf das nahe Obstbaumgebiet Werder/Brandenburg sei es „hochgradig lächerlich“, wenn behauptet würde, Apfelbäume seien in der Stadt kein marktgängiges Produkt. Die ganze Mostbaumsache würde nur darum gestartet, „damit im Jahr 1999 in der deutschen Hauptstadt ja nicht Apfelbäume gepflanzt werden müßten, die nur einen Umfang von 16 Zentimeter anstatt die angestrebten 25 Zentimeter haben“. Durch das längere Wachstum müsse das Land nun tiefer in die Tasche greifen. In der Vergangenheit hatte Schreyer dafür plädiert, den Bau der Schwimmhalle zu stoppen und Kosten von 270 Millionen Mark einzusparen. Rolf Lautenschläger