Born to loose — ein Fall für den Psychiater

■ Bis zu 5 Jahre Haft drohen TV-Fälscher Michael Born. Heute wird das Urteil gefällt

Es fällt leicht, Michael Born nicht zu mögen. Den fetten Typen, der in Reporterkluft durch die Redaktionen lief, seine kruden Bilder auf den Tisch knallte und zu allem Überfluß stets ein bißchen müffelte. Oder den abgemagerten Spinner, der vor dem Koblenzer Landgericht weder Reue noch Verstand zeigte und sich in ähnlich multiplen Rollen präsentierte, wie er sie zuvor seiner Laienspielschar auf den Leib geschrieben hatte: mal der Jesus-Freak, der der Welt alles Elend dieser Welt vor Augen führen will, mal das Rädchen im Getriebe, das in einer gut geölten Medienmaschine funktionierte. Zu allem Überfluß meldete sich Born auch noch via Playboy aus der U-Haft, um sich zwischen nackten Mädchen als „Werkzeug der Macher“ zu gerieren.

Um 300.000 Mark für 21 ganz oder teilweise gefälschte Filme soll Born allen voran „Stern-TV“ geprellt haben. Sämtliche Magazine haben zwar mit seiner Bastelstunde Quote gemacht, doch für den Imageschaden wollen sie nun Vergeltung. Zu dumm nur, daß da kein ausgebuffter Medienprofi auf der Anklagebank saß, sondern eher ein Fall für den Psychiater, dessen Aussagen die Mitschuld der Redaktionen immer größer erschienen ließ. Als dann noch der Zeuge Günther Jauch behauptete, er habe noch nie in einem Schneideraum gesessen, war der letzte Rest Vertrauen aufgebraucht.

Die Filme selbst erwiesen sich als recht Satire-kompatibel und machten es schwer, an die Arglosigkeit der angeblich betrogenen Redakteure zu glauben: Das Kammerspiel vom deutschen Ku-Klux- Klan, vom Katzenmord im Taunus oder von der umgetopften Asche des Neonazis Michael Kühnens – das alles warf ein Licht auf den Schrott, der noch heute Abend für Abend über den Sender geht.

Trotzdem ist es durchaus möglich, daß Born heute als Sündenbock geschlachtet wird, ist er doch ein geborenen Loser: 1958 in Lahnstein geboren, verließ er die Schule nach der Mittleren Reife, fuhr zur See und erreichte dort immerhin den Grad eines Dritten Nautischen Offiziers, was immer das sein mag. Zurück an Land, ging es dann zügig bergab: Seine Ehe scheiterte, und mit der Zoohandlung seiner Mutter legte er eine Pleite und 160.000 Mark Schulden hin. Zeit, sich mal die Welt der anderen anzusehen – als Reporter.

Wie naiv Born wirklich ist, zeigte sich während des Prozesses, als er immer wieder durch verschwörerisches Augenzwinkern in Richtung der Pressebank Rückhalt und Zustimmung suchte. Ich bin doch einer von euch, sollte das signalisieren, als hätte er den ganzen Prozeß über keine Zeitung gelesen, in denen die Kollegen genüßlich über ihn herfielen. Was ihn für diese verurteilenswert macht, ist vor allem die Unernsthaftigkeit, mit der er während der Verhandlung an seiner eigenen Medientheorie bastelte. Immer wieder betonte Born, daß Fernsehen quasi konstituierend aus Inszenierungen besteht, aber nicht einmal beschäftigte ihn die Frage, wie weit solche Inszenierungen gehen dürfen.

Trotzdem kann die Fernsehnation Born dankbar sein. Redakteure werden sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie zwielichtiges Material einfach zum Versenden durchwinken. Erst jüngst hat das MDR-Magazin „Brisant“ nach einem taz-Bericht die Zusammenarbeit mit einer Produktionsfirma aufgekündigt, die einen Bericht über alkoholabhängige Jugendliche dreist manipuliert hatte (siehe Bericht S. 22). „Es wird in den TV- Redaktionen eine Zeit vor und nach Born geben“, sagte sein Verteidiger Norman Jacob, der auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung plädiert. Fünf Jahre fordert dagegen der Staatsanwalt, dem klar ist, daß er Born nicht als Alleinschuldigen vorführen kann. Daher beschränkte er sich in seinem Plädoyer auf Straftaten, die quasi als Nebendelikte anfielen: Drogenschmuggel, Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und Aufruf zum Rassenhaß. Doch Michael Born ist gestraft genug. Nicht nur daß er seit einem Jahr im Gefängnis sitzt. Er hat sich auch bei dem Versuch, andere zum Narren zu halten, selbst zum Narren gemacht. Oliver Gehrs