Auch „Gastarbeiter“ werden alt

Arbeitsmigranten im Alter: Ihre Renten sind niedrig, die Gesundheit ist oft ruiniert  ■ Von Stefanie Winter

Sie treffen sich in Cafés, die so heißen wie das Dorf, in dem sie einmal lebten. Spielen Karten, lesen Zeitung, trinken Tee. Warten ab, was kommt – jetzt, wo sie alt geworden sind. Nichtdeutschen Frauen bleibt im Alter in Hamburg nicht einmal das. Eine als Pilotprojekt für ausländische Senioren angedachte Altenbegegnungsstätte in Altona könnte Veränderung bringen. Nach dem Stand der Planung wird jedoch an einer für alle Ethnien und beide Geschlechter offenen Konzeption gefeilt. Hüseyin Yavuz, Vorstandsmitglied der SPD-Eimsbüttel, glaubt nicht, daß dies funktionieren kann. Besonders ältere Leute wollten lieber unter sich bleiben.

„Die Sprache spielt eine wichtige Rolle.“ Und die deutsche wurde während der Erwerbstätigkeit zum Teil nur bruchstückweise erlernt. Das vergißt sich im Ruhestand – wenn die wenigen Kontakte zu Deutschen auch noch wegfallen – besonders schnell. Doch nicht nur für die Gestaltung der nun reichlich vorhandenen freien Zeit fehlen auf die verschiedenen Kulturkreise abgestimmte Angebote. Auch in der Altenpflege ist man auf die Versorgung von „Ausländern“ nicht vorbereitet. Eine Integration in bestehende Einrichtungen, meint nicht nur Yavuz, würde an kulturell-religiösen und sprachlichen Barrieren scheitern.

Rund 17.000 der in Hamburg lebenden Nichtdeutschen sind 60 Jahre und älter; etwa 50.000 sind zwischen 45 und 60 Jahren alt. Die meisten, die in den Sechzigern als „Gastarbeiter“ angeworben wurden, mußten besonders schwere und gesundheitsbelastende Arbeiten erledigen. Viele sind krank und erhalten eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bis zum regulären Rentenalter von 65 Jahren hielt die Gesundheit nur von wenigen. Jede Überstunde erhöhte die in die Heimat überwiesene Geldsumme, jede Krankmeldung hätte den Arbeitsplatz gefährden können.

Die Konzeption der zehn in Hamburg bestehenden „deutsch-ausländischen Begegnungsstätten“ paßt nach Ansicht des Politikers nicht für die „erste Generation“ der Migranten. Eine internationale Begegnung sei zwar wünschenswert und notwendig, um nationalistischen Tendenzen – auch unter Türken – entgegenzuwirken. Aber wie sollte Begegnung im Alter funktionieren, wenn es vorher schon nicht klappte. Obwohl faktisch ein Einwanderungsland, bestreitet die Republik, eines zu sein und macht aus „Gastarbeitern“ „Ausländer“ – die in anderen Staaten „Migranten“ genannt werden würden. Erst jetzt beginnt Hamburg sich Gedanken zu machen über die Bedürfnisse der real existierenden und alternden Migranten. Die Ergebnisse einer entsprechenden Studie sollen im Februar vorgelegt werden.

Nicht nur besonders hart war die Arbeit der meisten, sondern auch besonders schlecht bezahlt. Entsprechend niedrig – auch wegen oft kürzerer Beitragszeiten – sind die Renten. Wer daher Sozialhilfe in Anspruch nehmen muß, kann – so er nicht aus einem EU-Staat oder der Türkei stammt – daraufhin sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren. Wer sich den Eigenanteil an der Rentenversicherung auszahlen lassen möchte, statt eine nur geringe monatliche Rente zu erhalten, muß in sein Herkunftsland zurücckehren. Doch viele verwirklichen den jahrzehntelang gehegten Rücckehrplan auch gerade deshalb nicht, weil sie feststellen, daß das Angesparte dafür nicht ausreicht.