„Chancengleichheit gerade noch gewahrt“

■ Staatsgerichtshof weist Beschwerde der DVU gegen Bürgerschaftswahl zurück / Rüge für die CDU

Die Bürgerschaftswahl 1995 bleibt gültig. Der Staatsgerichtshof hat gestern eine entsprechende Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts bestätigt und die Beschwerde der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) wegen einer Reihe von angeblichen Wahlfehlern einstimmig zurückgewiesen. Die DVU war bei der Wahl am 14. Mai 1995 in Bremen deutlich und in Bremerhaven knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und wollte eine Wiederholung der Wahl zumindest in Bremerhaven oder Neuwahlen durchsetzen.

Die DVU hatte mehrere Punkte gerügt und damit ihre Anfechtung der Wahl begründet. Die Richter unter Vorsitz des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes, Günter Pottschmidt, legten ihre Entscheidung in einem 42seitigen Urteil dar. Demnach ist der vorgezogene Wahltermin, der durch die Selbstauflösung der Bürgerschaft nach dem Scheitern der Ampel-Koalition zustande kam, rechtlich nicht anzufechten.

Ausführlich ging das Gericht auf die Vorwürfe der DVU ein, sie sei von Radio Bremen im Wahlkampf benachteiligt worden. Diese Rüge sei „im Ergebnis unbegründet“, heißt es im Urteil, die „erforderliche Chancengleichheit der Parteien“ sei „insgesamt gerade noch gewahrt“. Pottschmidt mündlich: „Die Einwände waren nicht durchschlagend, wenn auch einzelne Punkte bedenklich erscheinen“.

Für unproblematisch halten die Richter allerdings die Entscheidung des Senders, überhaupt keine Wahlwerbespots von Parteien auszustrahlen. Radio Bremen habe auch das Recht, bei redaktionell gestalteten Wahlsendungen „Größe und Bedeutung der Parteien“ abgestuft zu berücksichtigen. Die DVU habe sich bei einer Wahlanhörung im Fernsehen eine Woche vor der Wahl wie andere Parteien auch durch Vertreter darstellen können.

Dafür hatten DVU-Vertreter nicht in Buten & Binnen Streitgespräche mit anderen Kandidaten führen dürfen. Solche Gespräche seien allerdings Teil des redaktionellen Konzeptes der Sendung und hätten keine unmittelbar wahlwerbende Wirkung.

„Bedenklich“ sei allerdings, daß die seinerzeit noch in der Bürgerschaft vertretende Partei DVU nicht zu der am 10. Mai ausgestrahlten Sendung „Nie wieder Ampel – Wer soll Bremen regieren“ eingeladen worden sei. Dadurch habe Radio Bremen die Chancen der DVU möglicherweise verschlechtert. Daß allerdings über Wahlkampfauftritte von Bundeskanzler Kohl für die CDU berichtet wurde und die SPD-Politiker Scharping, Schröder und Lafontaine in der Sendung „Up'm Swutsch“ auftraten, „entspreche allgemeinen Gepflogenheiten“. In der Urteilsbegründung heißt es: „Die DVU habe aber auch nicht dargelegt, daß sie mit Veranstaltungen oder Persönlichkeiten in Bremen hervorgetreten sei, über die hätte berichtet werden müssen“.

Für nicht anfechtbar hält das Gericht die Veröffentlichung demografischer Umfragen, durch die sich die DVU ebenfalls benachteiligt gefühlt hatte.

Berechtigt ist aber die Rüge, die CDU-Fraktion habe zwei werbende Zeitungsinserate mit einer Leistungsbilanz (Kosten: 47.000 Mark) unzulässig aus staatlichen Fraktionsmitteln bezahlt. „Das ist nicht zulässig, die Anzeigen hätten so nicht finanziert werden dürfen“, so Pottschmidt. Weil die Anzeigen aber zwei Monate vor der Wahl erschienen, sei kein direkter Einfluß auf das Wahlergebnis gegeben.

Daß die DVU in Bremen nicht per Lautsprecherwagen werben konnte, könne als Wahlfehler nicht gerügt werden. Die DVU habe eine informelle Ablehnung des Stadtamtes mehrere Wochen auf sich beruhen lassen und erst kurz vor dem Wahltag die Verwaltungsgerichte angerufen, als es für eine einstweilige Anordnung schon zu spät war. „Jeder Aktivbürger ist verantwortlich, punktuelle Wahlfehler rechtzeitig abzuwenden“, belehrte Richter Pottschmidt die Beschwerdeführer um den DVU-Landesvorsitzenden Sven Eggers. Man könne nicht abwarten und hinterher die Wahl anfechten.

Bei weiteren Einwendungen hätten die Beschwerdeführer die Sachverhalte nicht hinreichend dargestellt. So sei nicht nachvollziehbar, wo die Polizei es unterlassen haben soll, gegen Gegendemonstrationen zu DVU-Veranstaltungen vorzugehen, die Beschädigung von Wahlplakaten zu verhindern, sowie DVU-Funktionären und -sympathisanten Polizeischutz zu gewähren. „Es fehlt ein nachprüfbarer Tatsachenvortrag“. jof