Schürmann-Bau versinkt in Klagen

Eigentlich hätte er dieses Jahr eingeweiht werden sollen. Doch vor drei Jahren setzte das Hochwasser dem Schürmann-Bau ein Ende. Seitdem streiten sich Firmen und Bund um Kosten  ■ Aus Bonn Philipp Gessler

Was ist eigentlich los mit dem vor drei Jahren vom Rheinhochwasser gefluteten „Schürmann- Bau“ im Bonner Regierungsviertel? Wer diese Frage beantworten will, sollte am besten Architekt, Volljurist oder ein seit Jahren für die Recherche zu diesem Thema freigestellter Lokaljournalist sein – alle anderen werden kaum durchblicken. Nur wenn man der Reihe nach vorgeht und vieles wegläßt, besteht Hoffnung zu mehr Verständnis:

Es begann alles mit den Forderungen nach Ergänzungsbauten für den Bundestag Anfang der 80er Jahre. Nach einem Architektenwettbewerb wurde Professor Joachim Schürmann aus Köln mit den Planungen beauftragt, im Oktober 1989 war Baubeginn – der Gebäudekomplex sollte einschließlich einer Besuchertiefgarage etwa 665 Millionen Mark kosten und Anfang 1996 fertig werden. Dann aber kamen die deutsche Einheit und der Beschluß des Bundestags zum Umzug nach Berlin dazwischen. Der Haushaltsausschuß des Parlaments entschied, den Schürmann-Bau nicht mehr nutzen zu wollen. Andere Mieter sollten gefunden werden: die Deutsche Welle etwa, die von Köln wegziehen wollte.

Vor genau drei Jahren passierte es dann. Das Wasser des Rheins stieg schon seit einigen Tagen, eine Hochwasserwelle kam auf Bonn zu. Im Laufe des 22. Dezember 1993 erreicht die Fluten die Baustelle am Rhein und damit die Hochwasserschutzwand. Bei einem Kontrollgang in der Nacht zum 23. bemerkt eine Wache ein „Knacken“ an der Schutzwand. Experten unter anderem der Bundesbaudirektion eilen herbei und vermuten Beschädigungen an der Schutzwand. Sie entschließen sich, den Rohbau zu fluten, um Gewicht in den Bau zu bringen, damit er dem Druck des Rheinwassers standhält. Im Verlauf der Nacht überspült das Hochwasser die Schutzwand und verstärkt damit die Flutung – die Katastrophe ist da.

Die Baustelle wird am 3. Januar 1994 stillgelegt – seit dem ruhen die Bauarbeiten. Beweise müssen gesichert werden: Wer ist für den offenkundlichen schweren Schaden verantwortlich. Der Bund und die hauptsächlich für den Bau des Rohbaus verantwortliche Firma, das holländische Unternehmen hbw, beantragen beide ein eigenes Beweissicherungsverfahren beim Landgericht Bonn – später werden die beiden Verfahren zusammengelegt, es gibt nur ein Gutachten über die Schadensursache.

Im Juni 1994 klagt ein erstes Handwerksunternehmen gegen den Bund. Es will Schadensersatz für die durchgeführten Arbeiten am Bau und Stillstandskosten. Im September 1994 liegt das Gutachten zur Schadensursache vor: Demnach trägt die Schuld am Schaden zum einen die Rohbaufirma hbw, aber auch die Bauüberwachung, also das vom Bund beauftragte Ingenieurbüro. Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) wird am 18. November 1994 vom jetzigen Bauminister Klaus Töpfer (CDU) abgelöst. Der verspricht einen Weiterbau des Schürmann-Baus.

Anfang September 1995 liegt ein weiteres Gutachten vor, das feststellt, daß das Gebäude sanierungsfähig ist und nicht abgerissen werden muß. Mitte Oktober 1995 beschließt das Bundeskabinett, daß das Gebäude von der hbw saniert werden soll. Töpfer will dafür einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Unternehmen erreichen.

Im Dezember 1995 berichtet Töpfer dem Haushaltsausschuß des Parlaments, daß die baubeteiligten Firmen Forderungen gegen den Bund in Höhe von 70 Millionen Mark haben. Im Januar 1996 wird bekannt, daß der Bund vor dem Landgericht und dann vor dem Oberlandesgericht den Prozeß gegen die Bonner Firma verloren hat, die ihn verklagt hatte. Darauf ruft der Bund den Bundesgerichtshof an, um die Entscheidung anzufechten – das Verfahren läuft immer noch.

Im Februar 1996 zeichnet sich ab, daß eine außergerichtliche Regelung mit hbw nicht klappen wird, da deren Versicherung nicht soviel zahlen könnte, wie zur Sanierung des Rohbaus nötig wäre.

Am 6. September dieses Jahres erklärt die Bundesregierung schließlich, sie werde die Bauleistungen für den Schürmann-Bau in zwei Paketen EU-weit ausschreiben: einmal für die Sanierung und Fertigstellung der Untergeschosse. Die Ausschreibung hat bereits begonnen. Die für die Sanierung nötigen und vom Haushaltsausschuß des Bundestages festgelegten 150 Millionen Mark will man sich nach Auskunft des Bauministeriums auf dem Klageweg von hbw holen. In einem zweiten Paket soll die Fertigstellung der Obergeschosse ausgeschrieben werden.

Doch damit nicht genug. Der Bund fordert von hbw Schadensersatz in Höhe von 452 Millionen Mark. Dazu wird zur Zeit eine Klage vorbereitet. Um Kosten zu sparen, will das Ministerium dafür einen Anwalt gewinnen, der den Bund bereits bei einem selbständigen Beweisverfahren vertritt, das zum Schürmann-Bau derzeit am Landgericht Bonn stattfindet.

Wie geht's nun weiter in Sachen Schürmann-Bau? Die Bewerbungen von Baufirmen für die Sanierung sind mittlerweile eingegangen. In den vergangenen Wochen wurde die traurige Baustelle wieder gegen den Winter geschützt: Hänge wurden abgestützt, Zäune ausgebessert. Am 3. Januar, drei Jahre nach der Stillegung der Baustelle, werden geeignete Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Ab Mitte März werden dann die Aufträge für die Sanierung ergehen, im April sollen die Sanierungsarbeiten beginnen. Noch länger wird es dauern mit dem Weiterbau. Voraussichtlich erst Ende des kommenden Jahres wird die Planung dafür so weit vorangeschritten sein, daß die Bauleistungen ausgeschrieben werden können.

Der stellvertretende Vorsitzende des Bauausschusses, Otto Reschke (SPD), schätzt, daß allein der Stillstand an der Baustelle den Bürger insgesamt etwa 35 Millionen Mark gekostet hat, 30.000 Mark pro Tag. Zudem drohten der Bundeskasse noch Kosten von 150 Millionen Mark, wenn es nicht gelingt, dieses Geld für die Sanierung von der hbw zu erstreiten. Klagen von Handwerkerunternehmen gegen den Bund beliefen sich zusätzlich auf etwa siebzig Millionen Mark. Schließlich komme noch der „technische und merkantile“ Minderwert – etwa Zinsen, entgangene Mieteinnahmen und Schäden am Bau – hinzu, der mit 190 Millionen Mark zu berechnen sei. Und für den Weiterbau seien ja nach wie vor 480 Millionen Mark nötig.