Big Brother bald auch im Internet

■ Bund will Verschlüsselungsprogramme für Computer verbieten – es sei denn, die Behörden dürfen mitlesen

Berlin (taz) – Nach dem Großen Lauschangriff steht jetzt in Bonn die Überwachung des Internets auf der Tagesordnung: In einem vom Staatssekretärsausschuß für das geheime Nachrichtenwesen und die Sicherheit in Auftrag gegebenen Bericht entwerfen die Experten ein Konzept, wie die Sicherheitsbehörden den verschlüsselten Datenaustausch per Computer in den Griff bekommen sollen: Nur Verfahren, die den Überwachungsbehörden einen Code zum Entschlüsseln bieten, dürfen vertrieben und benutzt werden. Ungenehmigtes Verschlüsseln soll unter Strafe stehen.

Nachdem die Bundesregierung seit zwei Jahren mit aller Macht versucht, das multimediale Zeitalter auch sicherheitspolitisch in den Griff zu bekommen, haben sich damit deren Hardliner durchgesetz. Seit Verschlüsselungsverfahren es ermöglichen, sowohl Telefonate mit Hilfe des Computers abhörsicher zu machen, als auch Texte für die Sicherheitsbehörden und andere unlesbar über das Netz zu verschicken, müht sich Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU), die unkontrollierte Kommunikation zu unterbinden.

Jetzt ist ein Gesetz in Vorbereitung. Aber die beabsichtigten weitgehenden Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stoßen auf Kritk bei Datenschützern, der Opposition und auch beim Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP). Er hatte noch im Frühjahr erklärt: „Warum sollte ich verbieten, daß sich jemand bei einem noch recht unsicheren Medium wie dem Internet seine privaten Nachrichten codiert, und wenn es nur die Bundesliga-Ergebnisse sind.“ Zu den neuesten Vorschlägen wollte Schmidt-Jortzig noch keine Stellungnahme abgeben.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka, für die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder mit dem Internet befaßt, kommentiert: „Jegliche Regulierung ist sinnlos. Wer was verschlüsseln will, kennt viele Wege.“ So kann man mit genehmigten Verfahren doppelt verschlüsseln oder zum Beispiel verschlüsselte Texte in einer Bilderdatei unterbringen – in dem Gewirr von Bilddaten kann niemand einen codierten Text erkennen.

Jörg Tauss, Medienexperte der SPD-Bundestagsfraktion, hält das Verbot von Verschlüsselungstechniken undurchführbar, „will man nicht einen Überwachungsstaat orwellschen Ausmaßes“. Dies erklärte er per virtuellem Presseverteiler im Internet. In dieselbe Kerbe schlägt der berühmte US- amerikanische Informatiker Phil Zimmerman. Das von ihm entwickelte Programm „pretty good privacy“ (PGP), bisher unknackbar, fiele unter das Verbot eines neuen Gesetzes. Zimmermann über die Bonner Initiative: „Anfang des Jahrhunderts flohen die Bankräuber Bonny und Clyde nach ihren Überfällen mit dem Auto und entkamen so den berittenen Polizisten. Damals gab es Überlegungen, das Auto zu verbieten.“ Barbara Junge