Plastiksprengstoff für den Mond

■ „Pearly Passion“ verabschiedeten sich im „Studio auf den Höfen“ von Weihnachten und von den Bremer Bühnen

Weihnachten verpflichtet. Das wußten „Pearly Passion“, als sie sich am Abend des ersten Weihnachtstages im „Studio auf den Höfen“ blicken und hören ließen. Bereits vor Konzertbeginn gab es alle Knaller des Weihnachtsliedguts von CD gespielt. Zum Auftrittsantritt wurde die Bühne dann ganz in besinnlich-rotes Licht getaucht, und das Duo Hans-Jürgen Osmers und Katharina Gorecki, Kernstück von „Pearly Passion“, spielten „Stille Nacht“. Er am Horn, sie an einem flötenartigen Instrument, wodurch sie sich sofort als Verräterin am Weihnachtsgedanken entlarvte. Falls sie tatsächlich Flöte spielen kann, wußte sie es geschickt zu verbergen und zog das Stück in eine beträchtlich Schräglage. Das sollte zum Thema Weihnachten auch alles sein: Das Fest der Liebe, stellte die Frontfrau sofort klar, verbände sie nur mit langweiligen Geschenken und rechtsorthodoxen Grippeviren.

Mit Besinnlichkeit war schnell Schluß. Als die Begleitband die Bühne betrat, wurde ungewohnt forsch losgerockt; einige ZuhörerInnen konnten sogar zum Mitklatschen bewegt werden. Wo früher vorwiegend bekannte Jazz- und Pop-Standards gecovert wurden, sollte diesmal ein Schwerpunkt auf eigenem Material liegen. Da lag er gut, denn eigene Songs wie „Moonraker“ können es mit den Klassikern durchaus aufnehmen. „Moonraker“ ist eine hingehauchte Vertonung des Fotografierstils des weichzeichnenden Erotomanen David Hamilton und handelt vom Erschießen des Mondes, was nach Aussagen der Band wohl jeder unglücklich Verliebte schon mal vorhatte. Gewaltphantasien, wo man auch hinhörte: Ganze dreieinhalb Stücke erzählten von Plastiksprengstoff, und bei einem war es sogar zu hören: Mit völlig frei spielender Band und einer flüsternden bis kreischenden Sängerin verabschiedete man sich kurz aber intensiv vom gepflegten Bar-Stil und drang in Bereiche vor, die zuvor nur Free-Jazzer und Metal-Mosher gesehen haben. Uneasy Listening vom feinsten.

Obwohl der Weihnachtsanlaß sich als reine Augenwischerei entpuppt hatte, bekam der Abend doch ein Gewicht, welches über das üblicher Konzerte hinausging: „Pearly Passion“ kündigten ihren einjährigen Abschied von Bremer Bühnen an. Da gab man sich spendabel: Wertvolle Preise wie CDs, selbstgemachte Bilder und Kerzenständer wurden – mit Anlaufschwierigkeiten – verlost. Da die rechtmäßigen Gewinner nicht zu ermitteln waren, durfte jeder etwas gewinnen, der den Mut aufbrachte, auf die Bühne zu kommen. Da lehnte einer schon mal seinen Gewinn ab, oder ein Musikerkollege nutzte die Gelegenheit, sein eigenes Konzert am nächsten Abend zu bewerben.

Andreas Neuenkirchen