Zwischen den Rillen
: Kein Licht am Ende des Jahrhunderts

■ Untergangssymphonie in Blau, Rot und Chrom: Alan Vega shoutet, was seine Jahre so hergeben

Erstaunt und erfreut reibt man sich ja immer wieder die Augen, wenn man im Plattenladen seines Vertrauens Neues von und mit Alan Vega entdeckt. Denn der New Yorker singt und produziert mittlerweile so ziemlich an der Öffentlichkeit vorbei. 1977 setzten Vega und sein Partner Martin Rev unter dem Namen Suicide ein Album in die Welt, das bis heute als Orientierungsmarke gilt für erstklassigen elektronischen Rock 'n' Roll. Später stapfte Vega als Elektro-Elvis durch das Musikbusineß und stürzte 1985 endgültig ab, als ihn seine Plattenfirma mit dem Album „Just A Million Dreams“ zum Mainstream-Popstar aufbauen wollte.

Aufgerappelt hat er sich zwar wieder, doch selbst zwei Suicide- Reunion-Alben waren eher nette Reminiszenzen an alte Zeiten. Auch die letzten Auftritte Vegas in Deutschland trugen nicht dazu bei, sich insbesondere seiner neuesten Produktionen anzunehmen: Saft- und kraftlos wirkte er da, aufgedunsen, unbeweglich, hinüber und alles andere als gut bei Stimme.

Also müssen Verehrer und andere Meister her, um dem Mann die Steigbügel zu halten: So hat Henry Rollins sich einen alten Traum verwirklicht und „Dujang Prang“, das neue Album seines alten Helden Vega auf seinem Label 2 13 61 ( Rollins' Geburtsdatum) veröffentlicht. „Cubist Blues“ ist ein Album, das Songs enthält, die Vega zusammen mit Alex Chilton und Ben Vaughn schon 1994 eingespielt hat.

„Dujang Prang“ ist – wie übrigens alle Soloalben von Vega in den Neunzigern – eine abgefahrene Untergangssymphonie in Blau, Rot und Chrom. Vega präsentiert sich als amerikanischer Träumer, der keinen Pfifferling mehr auf Amerika gibt und nur noch als apokalyptischer Reiter durch Zeit und Raum schwirren kann. Endgültig den Blues hat er sich abgeholt, Anzeichen für Licht am Ende des Jahrhunderts scheint es für Vega nicht mehr zu geben.

Vega knautscht, stöhnt, ächzt und shoutet, was seine Jahre so hergeben, und Liz Lamere, seine Partnerin seit „Deuce Avenue“, liefert ihm die dazugehörigen Sounds: kratzige und rumpelige Techno-Beats, die kalt, abweisend und bedrohlich klingen, die schwerfällig durch den Raum schleichen und Vegas Organ manchmal völlig zudecken. Desöfteren beschleicht einen das Gefühl, die beiden arbeiteten ohne Rücksicht aufeinander, ohne sich auch nur ein Fünkchen um eine harmonisierende Dramaturgie zu kümmern. Das schmierige Entertainment, das Vega die ganzen Jahre über gekonnt mit verströmte, gibt es bis auf eine Ausnahme nicht: Nur der Song „The Kiss“ hat eine Melodie und vermittelt eine Ahnung von Schönheit und Heiligkeit. Im mit düsteren Straßenszenen illustrierten Booklet heißt es folglich auch sehr dräuend: „There's nothing here, just wasted little lives. Maybe ya get to see the sunrise. Maybe ya don't.“

Heiterer dürfte es vor zwei Jahren bei der Session mit Ben Vaughn und Alex Chilton zugegangen sein. Hier wollten die Herren es „einfach nur geschehen“ lassen. Das ist dann wie in „Come On Lord“ mal quengliger Blues, mal die Vega am besten passende Monotonie in der Wüste („Fat City“), oder auch lockeres Bargeplätscher („Lover Of Love“). Für den Vega-Afficionado mag „Cubist Blues“ etwas arg improvisiert sein, ausgestattet mit zuviel Intimität, Piano und Gniedelgitarre. Doch Vega selbst scheint die Atmosphäre dieser Session gut bekommen zu sein: Entspannt wirkt er, ganz Mann mit einer Seele, die er sich nur um ihrer selbst willen mit Schmerz beschwert. Logisch, daß in alter Manier der letzte Song dieses Albums „Dream Baby Revisited“ heißt. Gerrit Bartels

Alan Vega: „Dujang Prang“ (2 13 61 Records/Import)

Alan Vega, Ben Vaughn, Alex Chilton: „Cubist Blues“ (Last Call Records/Import)