Uruguay läßt MRTA-Mitglieder frei

Ärger in Peru über Deal der uruguayischen Regierung. Die Bombenexplosion vor der besetzten Residenz war ein Unfall. Büro des Deutschen Entwicklungsdienstes von Guerilla benutzt?  ■ Aus Lima Ingo Malcher

„Eine Schande!“ schimpfte der Kommentator der peruanischen Tageszeitung El Expreso. Nach Ansicht des Blattes hätten die uruguayischen Behörden „die lateinamerikanische Solidarität in einen Spott verwandelt“. Der Grund der Aufregung: Die Regierung Uruguays hat offensichtlich einen Deal mit der peruanischen Tupac-Amaru-Guerilla (MRTA) ausgehandelt. Ein Gericht in Montevideo beschloß am Weihnachtstag, die beiden in Uruguay inhaftierten MRTA-Gefangenen freizulassen, weil gegen sie „keine klaren Beweise vorliegen“.

Im Gegenzug hat das MRTA- Kommando, das am Dienstag vergangener Woche die Residenz des japanischen Botschafters in Lima gestürmt hatte und noch immer 104 Geiseln in seiner Hand hat, am ersten Weihnachtsfeiertag den urugayischen Botschafter aus der Geiselhaft in der Residenz entlassen.

Der uruguayische Innenminister Didier Operti bestritt unterdessen, mit der MRTA-Guerilla verhandelt zu haben. Vielmehr handelte es sich bei der Freilassung um „eine rein rechtliche Entscheidung“. Die peruanische Regierung kann das nicht beschwichtigen, sie ist schlicht sauer über die Freilassung der beiden mutmaßlichen MRTA-Mitglieder. Aus Protest berief Lima den Chef des peruanischen diplomatischen Dienstes aus Montevideo ab. Sprecher der Regierung bezeichneten die Freilassung der mutmaßlichen Guerilleros als egoistisch und inkonsequent. Sie richte sich gegen einen friedlichen Ausweg aus der Geiselkrise, der gerade erst mühsam auf den Weg gebracht worden sei. Unklar ist, ob auch die bolivianische Regierung dem Beispiel Uruguays folgen wird. In Bolivien sitzen vier mutmaßliche MRTA-Guerilleros ein – und Botschafter Jorge Gumucio ist noch immer unter den Geiseln in Lima.

Schrecken kam unterdessen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf, als mindestens 20 Stangen Dynamit auf dem Gelände der besetzten Residenz in die Luft flogen. Gegen 1.45 Uhr war ein sehr lauter Knall zu hören. AnwohnerInnen zufolge klang die Explosion genauso wie die an dem Abend, als die MRTA die Residenz überfallen hatte. Die Polizisten, die das Gelände rund um die Residenz absperren, gingen augenblicklich mit ihren Waffen in Stellung – tatsächlich aber scheint es sich um einen Unfall gehandelt zu haben. Der Sprengsatz explodierte auf dem Parkplatz der Residenz, in sicherer Entfernung vom Gebäude. Freigelassene Geiseln hatten berichtet, die Guerilleros trügen Sprengstoff auf den Rücken geschnürt, den sie über eine Reißleine zünden könnten. Auch seien die Zugänge zum Gebäude teilweise vermint worden. Eine offizielle Erklärung der Polizei zu der Explosion lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor.

Während die peruanische Regierung bei ihrer Blockadepolitik bleibt, sind freigelassene Geiseln durchaus der Ansicht, daß die Krise am Verhandlungstisch gelöst werden könnte. So zeigte sich der Chef der UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation (FAO), Jean François Ghuoot, davon überzeugt, daß eine friedliche Lösung möglich sei. In den fünf Tagen seiner Gefangenschaft habe er beobachtet, daß es bei der MRTA „einen breiten Verhandlungsspielraum“ gebe. Oppositionspolitiker in Peru forderten Fujimori dazu auf, die MRTA-Guerilleros in ein Land ausreisen zu lassen, wo sie Asyl bekommen. Nach Informationen der japanischen Tageszeitung Mainichi Shimbun hätte sich Kuba bereit erklärt, die MRTA- Kämpfer aufzunehmen. Inzwischen dementierte Parlamentspräsident Victor Joy Wang, daß das Parlament an einem Gesetz arbeite, das eine Amnestie für das MRTA-Kommando vorsieht.

Der russische Präsident Boris Jelzin zeigte sich unterdessen als sturmerprobter Hardliner. Er schlug die Entsendung eines Antiterrorkommandos der G-7-Staaten vor, an dem sich Rußland beteiligten wolle, um das Gebäude in Lima zu stürmen.

Im Zusammenhang mit der Geiselnahme wird jetzt nach Angaben der Tageszeitung Expreso auch gegen einen Deutschen ermittelt. Der Mann soll Chef einer deutschen Organisation in Lima sein, deren Büros direkt an den Garten der Residenz angrenzen. Die einzige deutsche Organisation, deren Büros an den Garten der Residenz angrenzen, ist der Deutsche Entwicklungsdienst (DED). Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen, so Expreso, benutzten die MRTA-Guerilleros die Büros des DED, um von dort aus auf das Nachbargrundstück zu kommen. Allerdings sind nach Auskunft des Radiosenders Radio Programas die Ermittlungen von offizieller Seite nicht bestätigt worden.