Village Voice
: Smells like Zeit einholen

■ Zu DAF kam DOS: Gabi Delgado hat in Wotan Wolke einen Partner gefunden

Die deutsch-amerikanische Freundschaft existiert wieder. Nicht ganz natürlich, eine Wiedervereinigung hat es nicht gegeben. Aber die bessere Hälfte, Gabi Delgado, hat in Wotan Wolke, Ex-Punk, Clubbetreiber und DJ, einen neuen Partner gefunden und hinter DAF noch ein DOS drangehängt: Was immer es auch für tiefere Beweggründe dafür gegeben haben mag – auf die Kürzel DAF und DOS soll sich 96/97 ein jeder einen eigenen Reim machen.

DAF besetzten Anfang der Achtziger eine Lücke, die sich zwischen Punk und der noch nicht existierenden New Wave auftat: Musikalisch waren Delgado und Göhrl mit ihrem eigentlich recht primitiven Elektro- und Synthie- Sound der Zeit voraus – vor allem der später folgenden „Neuen Deutschen Welle“, und inhaltlich führte man das provokative Gebaren von Punk fort. Also die Entwertung und Austauschbarkeit von Zeichen und Worten, auf daß man Adolf Hitler zusammen mit Jesus tanzen lassen konnte. „Konzept der Ideologielosigkeit“ nannte Delgado das damals; ein Konzept, dem auch DAF DOS zugrunde liegt. Freundbild und damit ach so heißes Tabuthema diesmal: Der Hooligan, den Delgado und Wolke o.k. regieren lassen wollen.

Schon auf dem Cover von „Allein, zu zweit, mit Telefon“ spielen sie böse Buben, die fies ihre Fratzen ziehen. „Achtung Klartext aufgepaßt“ heißt es unten rechts, in Anlehnung an die Parental-Advisory-Sticker der HipHop-Alben. Im Innersleeve posieren die beiden mit freiem Oberkörper, Baseballschläger und Stinkefinger, einen Verein haben sie auch gegründet: „Freunde debiler Musik“. Dessen Sitz ist in Herne, was ja irgendwie paßt.

„Sobald ich Geld hab, verlaß ich Stuttgart und geh nach Marzahn, was soll ich im Westen, im Osten ist's am besten.“ So drückt man in „Zurück in Marzahn“ seine Nähe zu den „Hoolies“ aus, und logisch und konzepttreu haben DAF DOS auch in einem Frontpage-Interview den Hooligans ihre Credits gegeben. „Das sind unsere besten Freunde, die wissen wenigstens, was sie wollen ... herzliche Menschen, die wenigstens viel Alkohol trinken“ usw. Geht ja okay, wird aber hoffentlich nicht mißverstanden: Denn man könnte ja auch Sozialarbeiter-Romantik via Pop rauslesen, und das wäre wohl nicht im Sinne der Erfinder. Darum holen DAF DOS noch genügend andere trockene Scheiße aus ihrer Tasche. „Mutterficker“ heißt ein Song, der sich wie ein Bastard aus „Mussolini“ und der „Räuber und sein Prinz“ anhört, und wem das nicht reicht, für den gibt's „Ich glaub ich fick dich später“.

„Dank an den CVJM“ ist ein bißchen blasphemisch, statt danke für jeden neuen Tag sagen DAF DOS danke für jede Linie Kokain. Kaum zu glauben, das Delgado und Wolke damit wirklich provozieren wollen, und daß „ficken“ sich in deutsch anders anhört als in englisch, haben andere vor ihnen auch schon gemerkt. Der Sound schwankt zwischen stumpf-primitivem Hauruck-Techno, den jeder Hooli mit und ohne Hirn sich gut anhören kann, und dem klapprigen Elektro-Synthie-Gemurmel, das man seinerzeit an DAF schon mochte oder auch nicht. Auch Delgados Stimme provoziert nix anderes als Reisen in die Vergangenheit, ist sie doch immer noch so hart stramm-zackig. Smells like Zeit einholen, das alles. Schick ein Proll zu sein, meine Güte, das findet heutzutage nicht mal mehr Martin Kippenberger. Und daß der Neunziger-Hooli gern auch mit Malcom-X-Käppi und Henry-Rollins-T-Shirt Ausländer jagt, muß Delgado und Wolke irgendwie entgangen sein. Etwas komplizierter ist die Welt in den vergangenen 15 Jahren geworden, diese Schwarz-Weiß-Provokation will da nicht so recht zünden – mehr als ein DOOF kommt nicht bei rum. In Marzahn würden DAF DOS wahrscheinlich nur eins auf die Nase bekommen, verdientermaßen. Gerrit Bartels

DAF DOS: „Allein, zu zweit, mit Telefon“ (Columbia/Sony)