Porree vom Bauern ihres Vertrauens

Dreitausend BerlinerInnen haben regelmäßige Lieferungen von Ökolebensmitteln aus dem Umland abonniert. Eine ehemalige LPG liefert die wöchentlichen Abokisten mit Gemüse, Obst und Käse sogar bis nach Hause  ■ Von Hannes Koch

Die Holzkiste trägt einen Hauch von Landluft in die Straßenschluchten der Stadt. Diese Stange Porree, jenes Häufchen Feldsalat, so weiß man beim Öffnen des kiloschweren Carepakets aus dem Osten, haben die BäuerInnen der Uckermark zwei Tage zuvor der winterlichen Scholle abgerungen.

„Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch“ – dieses alte Motto der Industrielandwirtschaft erhält mittlerweile durch die „Abokisten“ eine neue Bedeutung. Rund 3.000 BerlinerInnen lassen sich bereits einmal pro Woche eine Ladung ökologisch hergestellten Gemüses, Obstes, Käses und anderer Nahrungsmittel von einem Umlandbauern ihres Vertrauens nach Hause liefern.

Und die Zahl der AbonnentInnen steigt. Allein die Ex-LPG des Ökodorfs Brodowin, nordöstlich von Berlin, hat die Zahl der ausgelieferten Kisten innerhalb von 15 Monaten von null auf 450 gesteigert. Nächstes Jahr sollen es 1.000 werden. Cornelius Strässer von der Arbeitsgemeinschaft Biodynamischer Landbau (Demeter) hält das „zunehmende Bewußtsein für Ostprodukte“ für eine Ursache des Abokisten-Booms.

Außerdem würden immer weniger VerbraucherInnen verstehen, warum die Äpfel erst 12.000 Kilometer aus Neuseeland hinter sich bringen müssen, während sie doch um die Ecke an den Bäumen hängen.

Die spezielle Form der Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte scheint heute noch eine Domäne der ökologischen Landwirtschaft zu sein. Jedenfalls ist nicht einmal das Phänomen der Abokiste beim Deutschen Bauernverband Berlin-Brandenburg bekannt. „Das ist aber eine sehr interessante Idee“, freut sich Sprecher Rudolf Herold. Per Mitteilungsblatt will er das Projekt demnächst bei seinen konventionell arbeitenden Mitgliedshöfen anpreisen.

Was ist nun drin in einer Abokiste? Peter Sprenker vom Melchhof in Melchow gibt ein Beispiel für den Monat Dezember: „200 Gramm Feldsalat, ein Blumenkohl, jeweils ein Kilo Möhren, Rote Beete, Porree, jeweils ein Pfund Grünkohl, Zwiebeln und Äpfel.“

Die Höfe im Berliner Umland sorgen dafür, daß auch im Winter die meisten Produkte vom eigenen Acker oder von anderen Betrieben der Region kommen. „Manche Sachen muß man aber zukaufen. Sonst bestellen die Leute ab“, weiß Kirsten Schmitt, die Abokisten- Organisatorin vom Ökodorf Brodowin. So finden die AbonnentInnen im Winter und Frühjahr beispielsweise auch ökologisch angebauten Fenchel, Brokkoli und Auberginen aus Italien und Frankreich in den Kisten.

Die Lunchpakete aus Brandenburg gibt es in der Regel in drei Größen für etwa 15, 25 und 35 Mark. Das Gewicht des Inhalts schwankt dabei zwischen drei und sechs Kilogramm. Der Preis liegt damit etwas günstiger als beim Einkauf im Bioladen.

Über die Standardpakete hinaus, die im Sommer und Herbst mit Tomaten, Paprika, Bohnen und anderen Gemüsen natürlich reichhaltiger ausgestattet sind, bieten die Höfe verschiedene Extraangebote. Dazu gehören Kartoffeln, Eier, hausgemachter Käse, Brot, Milch und im Falle der Hofgemeinschaft Apfeltraum in Müncheberg auch Fleisch aus eigener Aufzucht. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich mittlerweile die „Stillkisten“, die stillende Mütter und ihre furzenden Blagen mit ausschließlich nichtblähendem Gemüse versorgen.

Etwa ein Dutzend Höfe im Brandenburgischen packen inzwischen Abokisten. Ihr Ausstoß liegt aber selten über 200 Paketen pro Woche und Betrieb. Eine Ausnahme nur gibt es: Brodowin. Das Erfolgsrezept besagt, daß alle KundInnen in Berlin einzeln beliefert werden. Die übrigen Höfe können oder wollen diese Bequemlichkeit nicht bieten. Sie haben in der Stadt Sammelstellen eingerichtet, an denen mehrere Pakete abgestellt werden. Die AbonnentInnen müssen sich ihre Lebensmittel dort abholen. Würden alle Wohnungen einzeln angefahren, dauerten die Touren zu lange, und die Kosten stiegen ins Unermeßliche, heißt es.