Dokumentation
: Vermögensaktivierung ohne Alternative

■ Haushalt sanieren – aber wie? Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, Fraktionschef Böger und Haushaltsexperte Wowereit antworten Vorschlägen der SPD-Linken

In drei Wochen steht der Parteitag der SozialdemokratInnen an, auf dem über geplante Vermögensaktivierungen, die Bezirksgebietsreform und Einzelhaushalte für das Jahr 1997 gestritten wird. Am 23. Dezember dokumentierten wir ein Papier der SPD-Linken zu alternativen Konsolidierungsmodellen. Eckpunkte darin waren der Verzicht auf den Verkauf von Landesbeteiligungen, die aktiv Geld in die Landeskasse bringen und die Beschränkung des Verkaufs von Bewag-Aktien auf 25 Prozent. Alternativ schlugen die Linken die Aktivierung zum Beispiel der Versicherungen „Feuersozietät“ und „Öffentliche Leben“ sowie von Immobilien vor. Steuerrückstände sollten eingetrieben, solidarische Arbeitszeitverkürzung und die Dienstzeitreform bei der Polizei umgesetzt werden. Und durch den Verkauf von städtischen Wohnungen an MieterInnen und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, so die AutorInnen, könnte ebenfalls Geld in die Landeskasse fließen. Letztlich schlugen sie noch eine weitere Kreditaufnahme durch die städtischen Betriebe wie die BSR, die Behala und die BWB vor, um die Haushaltslücke zu schließen. In Vorbereitung des Parteitags hat das Haushaltsteam der SPD im Senat auf die Vorschläge der Linken geantwortet. Wir dokumentieren die Antwort:

Die Haushaltslage des Landes Berlin zwingt zu einer neuen Finanzpolitik und damit zur Überprüfung aller finanzpolitischen Aktivitäten, auch der Vermögensbewirtschaftung. Es ist verdienstvoll von den Autoren Elga Kampfhenkel, Thomas Gaudzun und Klaus-Uwe Benneter, Alternativen zum geplanten Bewag- Verkauf entwickelt zu haben. Öffentliche Abqualifizierungen wie „Querschüsse“ oder „Oppositionspapier“ sind fehl am Platz. Wir brauchen in der Stadt diese Diskussion.

Deshalb ist es sinnvoll, zunächst das Übereinstimmende festzuhalten. Wir sind uns einig darin, daß die Finanzmisere auch mit der Politik der Bundesregierung zu tun hat, Aufgaben auf Länder und Kommunen abzuwälzen.

Es ist nicht alles aufzufangen, was aus Bonn kommt. Auch ist es illusorisch zu glauben, eine neue Bundesregierung könne alle Lasten wieder zurücknehmen oder, wenn die dann in Berlin residiert, den Berlinern einen besonderen Bonus gewähren, der uns aller Sorgen enthebt. Wir müssen schon selber handeln, je früher, desto besser.

Die Vergleiche mit anderen haben in der Tat Grenzen. Sie dienen dazu, Anhaltspunkte zu gewinnen. Ein politisches Urteil nehmen sie nicht vorweg. Natürlich hat Berlin besondere Vereinigungslasten, eine einmalige Geschichte, andere Bevölkerungsstrukturen und besondere Belastungen als Stadtstaat. Darauf nehmen bereits die europäischen und bundesdeutschen Förderinstrumente ebenso Rücksicht wie der Bund-Länder-Finanzausgleich und das Stadtstaatenprivileg. Berlin erwirtschaftet nur 38,8 Prozent seines Haushalts aus eigenen Steuermitteln.

Weiterhin sind wir uns einig in der Notwendigkeit, den Haushalt zu konsolidieren, was Ausgabenkürzungen einschließt. Wir sind uns auch einig, daß zur Überbrückung besonders schwieriger Jahre auch Vermögen des Landes zur Schließung von Deckungslücken eingesetzt werden muß. Damit besteht über die Grundlagen der neuen Finanzpolitik Einigkeit in der SPD. Das ist ein Riesenerfolg.

Wo liegen noch die Differenzen? Dazu ist zu analysieren, was die Alternativvorschläge zum Bewag-Verkauf wirklich leisten. Die Finanzverwaltung hat bereits Schritte zur konsequenten Eintreibung von Steuerrückständen getan. Allerdings soll niemand annehmen, das Ergebnis ließe sich in Zeiten wirtschaftlicher Probleme vieler kleiner und mittlerer Unternehmen auch nur annäherend in der gewünschten Größenordnung realisieren.

Die Betriebe des Landes, die Gewinne abwerfen, sollen einen Fonds bilden, zusätzliche Kredite damit bedienen. Dazu muß man wissen, daß die bisher dem Haushalt zugeführten Gewinne natürlich so schon verwendet worden sind. Der Vorschlag bedeutet nichts anderes als eine zusätzliche Schuldenaufnahme. Das kann aber angesichts des gerade zu öffnenden Würgegriffs der Zinslasten kein sinnvoller Weg sein.

Übrigens stößt auch der Druck auf höhere Gewinnentnahme auf Grenzen. Wir haben doch ein Interesse, daß der teure Energiepreis bei der Bewag gesenkt wird, um das Unternehmen in Berlin konkurrenzfähig zu halten.

Eigentümer der städtischen Wohnungen sind die Wohnungsbaugesellschaften. Bei einem Verkauf von Wohnungen erhalten diese den Kaufpreis, dem Landeshaushalt fließt dadurch kein Geld zu. Soll dennoch ein Verkaufserlös dem Haushalt zugute kommen, müßten zusätzliche Abführungen an den Gesellschafter beschlossen werden. Dabei fallen jedoch Steuerbelastungen an, die den Erlös erheblich schmälern würden. Bei einer angenommenen Einnahme von 1,5 Mrd. DM wären bei Ausschüttung an das Land Berlin knapp 50 Prozent Steuern abzuziehen. Die Nettoeinnahme läge deutlich unter 1 Mrd. DM.

Ein sinnvoller Vorschlag ist die Forderung nach Einführung eines einheitlichen Dienstrechts. Dazu ist eine Grundgesetzänderung notwendig. Und die mindestens 40jährigen Bemühungen darum lassen nicht hoffen, daß der nächste und übernächste Haushalt davon schon entlastet würde.

Senator Pieroth hatte zum Verkauf der Bewag-Anteile ein Pensionsgeschäft mit der Bankgesellschaft vorgeschlagen. Es hatte sich gezeigt, daß aus Kostengründen und aus verkaufsstrategischen Gründen dieser Weg nicht der vorteilhafteste gewesen wäre. Das Papier schlägt jetzt etwas Ähnliches für die Grundstücke des Landes vor. Ein Bankenfonds Liegenschaften wird allerdings bestrebt sein, den Vorfinanzierungseffekt und das Risiko der Verwertung, darüber hinaus aber auch eine Gewinnmarge („Zwischenhändlerprovision“) zu Lasten des Landes auf den Kaufpreis durchschlagen zu lassen. Bei Verkäufen müßte daher mit erheblichen Abschlägen gerechnet werden. Grundsätzlich gilt, daß die Veräußerung von Liegenschaften politisch schwierig (siehe Domäne Dahlem), wirtschaftlich kompliziert – wir dürfen uns den Markt nicht ruinieren – auf jeden Fall aber langwierig ist.

Unklar ist, wie nach dem Vorschlag der Autoren mit den Gläubiger-Banken eine Zinsentlastung in Höhe von 2 Mrd. DM für die aufgelaufenen Gesamtschulden des Landes ausgehandelt werden sollen.

Es ist verdienstvoll, eine Alternative durchdekliniert zu haben. Die Autoren sind erfahren genug, daß sie einsehen werden, daß die Vorschläge als geschlossenes Konzept nicht hinreichen.

Haushaltspolitisch führt deshalb kein Weg am Verkauf der Bewag-Anteile vorbei: Die Chance, die wir haben und wahrnehmen müssen, ist, die daran geknüpften Ziele zu realisieren: gesicherte Energieversorgung, eigene Energieproduktion in Berlin, möglicherweise neue Produktionslinien in Berlin, Umsetzung fortschrittlicher Energiekonzepte und nicht zuletzt Stärkung der Marktkräfte in Deutschland im Vorgriff auf die kommende europäische Entwicklung. Diese Ziele sind mit dem zu entwickelnden vertraglichen und dem vorhandenen Instrumentarium zu verwirklichen.

Dies alles und ein guter Preis mit dem erhofften Paketzuschlag lösen nur einen Teil des Problems des Haushalts 97. Deshalb ist es umso wichtiger, die anderen Vorschläge des Papiers weiterzuentwickeln. Sie sollten Teil der Politik der SPD und des Senats werden.