„Ohne jegliche Transparenz“

■ Der peruanische Psychoanalytiker César Rodriguez Rabanal über den Umgang des Präsidenten Fujimori mit der Geiselkrise

taz: Präsident Alberto Fujimori hat sich in der Öffentlichkeit lange zurückgehalten, bevor er das erste Mal zu der Geiselnahme Stellung genommen hat. Seither zeigt er Härte. Taugt das als Strategie?

Rodriguez Rabanal: Fujimori managt die Krise genauso, wie er das Land regiert: ohne jegliche Transparenz, ohne jegliche Beteiligung der Gesellschaft. Er hat keine Eile, das Problem zu lösen, er meint, die Zeit spiele für ihn.

Deshalb die ganze Rigidität, die Ablehnung jeden Dialogs mit den Geiselnehmern?

Der Autoritarimus macht immer den Fehler, Rigidität mit Stärke gleichzusetzen. In Fujimoris Weltbild sind es die Schwachen und Hilflosen, die verhandeln: Wer wirklich stark ist, verhandelt nicht, der befiehlt und setzt sich durch. Letztlich steht diese Philosophie hinter all den Argumenten, der Staat verhandle nicht mit Verbrechern.

Aber hat Fujimori denn irgendein Konzept, um die Krise zu lösen?

Er hat dem japanischen Außenminister gesagt, daß er die Krise psychologisch manage. Was Fujimori darunter versteht, kann man ja sehen: Für ihn ist Psychologie, in der Residenz Wasser und Strom abzuschalten und Falschmeldungen zu verbreiten. Vor ein paar Tagen hieß es, daß das Geiseldrama gelöst sei. Krankenwagen mit laufenden Motoren fuhren auf – all das sollte vorspielen, daß das Militär jeden Augenblick zuschlagen würde. Für Fujimori heißt Psychologie: Manipulation, Schwächung des anderen und Abschreckung.

Was müßte er denn statt dessen tun?

Zunächst müßte man versuchen, die wichtigsten Organisationen der Zivilgesellschaft und die Oppositionsgruppen zusammenzurufen, um nicht alleine dazustehen. Dann wären internationale Vermittlerteams wichtig, die interdisziplinär arbeiten: Diplomaten, Psychologen, Anthropologen – und Regierungsmitglieder mit Entscheidungsbefugnis. Und dann könnte Psychologie bedeuten: ein Vertrauensklima schaffen, gegensätzliche Standpunkte annähern und in positivem Sinne Einfluß nehmen, um die Krise zu lösen.

In der ganzen Stadt wehen peruanischen Fahnen von den Dächern als Zeichen der Solidarität mit den Geiseln. Wie kommt denn so eine Bewegung zustande?

Es gibt wirklich Leute, die ganz allgemein gegen die Gewalt sind, aber auch gegen die mögliche Gewalt einer sogenannten Befreiungsaktion. Und dann gibt es die anderen, die mit den Fahnen an chauvinistische Gefühle appellieren wollen – so als wären wir mit einem anderen Land im Krieg. Sie wollen sagen: Wir stehen hinter der Regierung, egal was sie tut.

Nun war ja Fujimoris Popularität auch vor der Geiselnahme deutlich gesunken. Wie wirkt sich die Besetzung darauf aus?

Das hängt davon ab, wie geschickt Fujimori agiert – und wie das Drama ausgeht. Geschadet hat ihm all das bestimmt, gerade auch, daß es die Residenz des japanischen Botschafters getroffen hat. Fujimori hat immer wieder darauf hingewiesen, daß Japan der große Bruder der Entwicklung Perus ist, der dem kleinen Bruder hilft. Die Präsenz von Personen japanischer Abstammung an den Schaltstellen der Macht ist unübersehbar.

Was zählt denn dabei vor allem: das Materielle oder das Symbol?

Fujimori hat sehr geschickt damit operiert, daß das große und mächtige Land Japan uns hilft, und die kleinen Leute in Peru haben doch immer wieder gehofft, daß wir am Reichtum der Welt über Japan teilhaben werden.

Und das ist jetzt vorbei?

Die Stärke Fujimoris bestand vor allem darin, daß er die politische Gewalt in Schach halten konnte und die Inflation erfolgreich bekämpft hatte. Seit einiger Zeit merkt man eine ziemliche Enttäuschung innerhalb der Wirtschaft, und mit der Guerillaaktion jetzt ist Fujimori auch als Garant des Friedens in Frage gestellt. All das schadet ihm. Interview: Ingo Malcher, Lima

César Rodriguez Rabanal ist Psychoanalytiker und Mitglied des Oppositionsbündnisses „Demokratisches Forum“. Er leitete mehrere Jahre das Zentrum für Psychoanalyse und Gesellschaft in Lima. Auf deutsch erschien sein Buch „Elend und Gewalt. Eine psychoanalytische Studie aus Peru“, Fischer-Verlag Frankfurt/M.