■ Ökolumne
: Nicht mehr nörgeln Von Fritz Vahrenholt

Die da oben sollen das Ozon wegmachen (mich aber nicht mit einem Tempolimit nerven). Die da oben sollen streuen und fegen (mir aber nicht schon wieder die Gebühren erhöhen). Läßt sich die Einstellung des mündigen, umweltbewußten Bürgers zu Staat und Verwaltung mittlerweile in diese beiden Standardsätze fassen, in eine Sommer- und eine Wintervariante?

Es waren ein weiter und notwendiger Weg vom Obrigkeitsstaat zum Universal-Dienstleistungsbetrieb. Aber gerade in der Umweltpolitik ist es ein tragikomischer Irrtum zu glauben, ein Stadtstaat wie Hamburg könne sich auf Nachtwächter-, sprich: Genehmigungs- und Überwachungsaufgaben und solche des Schneeräumens beschränken. Wenn das Umweltbewußtsein der Bürger keine Theorie bleiben soll, muß es durch finanzielle Anreize aktiviert werden. Das tun Hamburg und seine Versorgungsunternehmen: mit Wohnungswasserzählern und kostenorientierter Einspeisevergütung für Solarstrom, mit einer Grundwasserentnahmegebühr für die Industrie, der Förderung energietechnischer Sanierung von Wohnhäusern und einem „fifty- fifty“-Einsparprojekt an Schulen. Die Liebe zur Umwelt geht tatsächlich durchs Portemonnaie.

Und selbst dort will sie oft noch hindurchgezwängt werden. Photovoltaik aufs eigene Dach – gerade 54 Interessenten gab es, solange „nur“ der Strom angemessen vergütet werden sollte mit 1,80 bis 2,20 Mark pro kWh. Ein draufgesattelter Investitionskostenzuschuß lockte weitere 50 Solarfans an. Also beschlossen wir, den mutigen Investoren die ganze Anlage zu schenken. Da, immerhin, meldeten sich ein paar hundert. Ähnlich ist es bei der Windenergie. In Hamburg würde sie vom Winde verweht, wenn wir uns auf den Ansturm potentieller Anteilszeichner verließen. Der bleibt aus, trotz versprochener sieben Prozent Rendite.

Schön wäre es, wenn von der schweigenden bis nörgeligen Mehrheit auch mal etwas zurückkäme, womöglich freiwillig und ohne (nicht nur hanseatische) Pennschieterigkeit. Es geht um nicht weniger als den Versuch, eine andere Energiebasis aufzubauen und damit auch den Einstieg in den Atomausstieg ohne CO2- Anstieg zu erreichen. Können wir uns darüber einigen, und zwar nicht nur theoretisch? Über Förderung und Ausbau der Photovoltaik, über Blockheizkraftwerke und auch über das Kabel, durch das wir regenerativ erzeugten Strom aus Norwegen beziehen werden?

Anspruch und Wirklichkeit klaffen mehr und mehr auseinander. Eine weitere Probe aufs Exempel war in Hamburg gekommen, als es um einen Ersatz für die 180 Millionen Mark aus dem früheren Kohlepfennig ging: durch freiwillige Weiterzahlung, wie von der Umweltbehörde angeregt, in einen Klimaschutzfonds, aus dem so schöne zusätzliche Dinge wie Photovoltaikdächer auf allen Hamburger Schulen bezahlt werden könnten. Dies anstelle höheren Stromverbrauchs oder eines Einstreichens der eingesparten Kosten (denn natürlich wurde der Strom billiger). Den Fonds gibt es inzwischen. Wie viele Stromkunden einzahlen? 0,5 Prozent. The mind boggles! In Umfragen hatten zuvor 70, in Worten siebzig, Prozent ihre Bereitschaft bekundet.

Nicht überwältigend viel besser sieht es mit dem Interesse der öffentlich Bediensteten aus, allmonatlich die Pfennig(!)beträge in ihren Verdienstbescheinungen für die Partnerstadt Leon in Nicaragua zu spenden. Der Gegenwert von drei Zigaretten pro Monat ist der überwältigenden Mehrheit zuviel.

In modernen Ballungsräumen wie Hamburg ist es möglich, mit Ressourcen halbwegs zukunftsfähig umzugehen, vorausgesetzt, es ziehen relativ viele an einem Strang und in dieselbe Richtung. Dabei enden aber irgendwann die Möglichkeiten der Überzeugung via Mark und Pfennig. Denn Umweltschutz hat auch etwas mit Überzeugungen, mit urbanem common sense, letztlich mit Verzicht auf bestimmte Lebensweisen und Bequemlichkeit zu tun. Der Stadtstaat und die ökologische Dauerhaftigkeit – beide brauchen die Bereitschaft der Bürger, zu fragen: Was kann ich für meine Stadt tun? Was ist mein Beitrag zu der Herausforderung, über ein Umsteuern in der Energiepolitik den CO2-Ausstoß in zwei Generationen um 90 Prozent zu vermindern? Ohne diese Bereitschaft ist alles Gerede von Umweltbewußtsein in den Wind gemüllert.

Dr. Fritz Vahrenholt ist Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg