„M“ ist heute ein unverkäuflicher Fußabtreter

■ Die taz fragt in ihrer Jahresendzeitserie: Was wurde aus der März AG, die von der deutschen Mauer profitierte und beste Kontakte zu Franz Josef Strauß pflegte?

Rosenheim (taz) – Das große M ist zum Menetekel geworden. Einst war es Markenzeichen des Fleisch- und Bierimperiums der Gebrüder März AG. Heute steht die Rosenheimer Firmenzentrale in einem M-förmigen Glaspalast leer. Dabei wurde hier vor nicht allzu langer Zeit noch in internen Berechnungen der Aufstieg in die Nähe von Lebensmittelgiganten wie Nestlé geplant. Inzwischen führt das allgegenwärtige „M“ jedoch zu einer Wertminderung des Glaspalastes. Wer will schon ein Firmengebäude erwerben, in dem sogar die Teppichböden „M“-belastet“ sind, spöttelt ein Insider.

Nach einem ebenso märchenhaften wie sensationellen Aufstieg war im Frühjahr 1996 das Ende gekommen. Die Gebrüder März AG mußte Konkurs anmelden. Vier Jahre zuvor waren noch 2,14 Milliarden Mark Umsatz geschrieben worden, und in der Folgezeit waren intern gar — mit den rund 80 Tochterfirmen — die Umsatzerwartungen bei nahezu acht Milliarden gesehen worden. Doch schließlich mußten die Familienaktionäre, die zuletzt 75 Prozent gehalten haben sollen, ihre Anteile für je eine Mark an die Apomyios Vermögensverwaltungs- und Beteiligungs GmbH Frankfurt abtreten. Bei den elf Poolbanken ist heute nur noch von einer „Resteverwertung“ die Rede. Die einstigen Perlen des März-Imperiums wurden nach und nach veräußert. Der Aktienkurs, zur Hochzeit 1992 bei 600 Mark, dümpelt bei fünf Mark. Die Prophezeiung eines Kleinaktionärs auf der Hauptversammlung 1995: „Bei März ist ein permanentes Schlachtfest im Gange. Ich habe das Gefühl, daß dies eine Trauermesse für eine sterbende Gesellschaft ist“ — ist längst Realität geworden.

Richtig groß war März erst durch ein Ost-West-Geschäft besonderer Art geworden. Der CSU- Magier Franz Josef Strauß unterhielt allerbeste Beziehungen zum CSU-Schatzmeister von Oberbayern – und der hieß Josef März. Nirgendwo anders als auf dem März- Landgut Spöck wurde 1983 der DDR-Milliardenkredit von Strauß und Schalck ausgehandelt. Die „M“-Connection sollte sich bestens bezahlt machen. Aus mehreren Comecon-Ländern wurden Kälber zins- und steuergünstig in das Comecon-Land DDR gebracht. Dort wurden sie gemästet und anschließend in großen Mengen in die damalige EG geschleust. Die DDR war nach bundesdeutschem Recht kein Ausland, und nachdem im Ostblock die Schlachtpreise weit niedriger waren als in der EG, fuhr man mehr als satte Gewinne ein. Davon kaufte die März-Familie in den 80er Jahren den Eku-Konzern und die Henninger-Gruppe, die Hamburger Bavaria St.-Pauli-Brauerei sowie mehrere Molkereien und Brunnenbetriebe.

Doch als die Mauer fiel, verschwanden mit der DDR auch die exzellenten Kontakte. Aus den einstigen Winnern waren Loser geworden, die „Star Bulls“-Sponsoren wurden zur Schlachtbank geführt. Im M-förmigen Prunkbau zu Rosenheim gaben sich, wie die Lebensmittelzeitung einmal schrieb, mehr Wirtschaftsprüfer als Kunden die Klinke in die Hand. Und irgendwann war es dann auch den bis dato recht geduldigen Banken, an der Spitze die Bayern-Hypo, zuviel. Dabei war lange in Insiderkreisen gemunkelt worden, gerade die Banken hätten die Rosenheimer regelrecht zu ihren „Einkaufsfeldzügen“ genötigt. Heute steht das große M für nichts mehr als für Mega-out oder Mega-down. Klaus Wittmann

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