Geschichtsforscher ohne Lobby

■ Gespart wird überall, auch in der Forschung. Vor allem den Geisteswissenschaften werden die Mittel gestrichen. Von der Schließung ist unter anderem das renommierte Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttin

Gespart wird überall, auch in der Forschung. Vor allem den Geisteswissenschaften werden die Mittel gestrichen. Von der Schließung ist unter anderem das renommierte Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen bedroht Von Florian Gless

Geschichtsforscher ohne Lobby

Es steht schlecht um die Bundesrepublik. Stefan Rehder vom Bonner Bildungsministerium spricht da ganz im Sinne seines Ministers: „Deutschland muß zusehen, daß es in der internationalen Forschung wieder Anschluß bekommt!“ In den Schlüsseltechnologien wie der Biochemie, der Genetik oder der Informatik liege die deutsche Forschung weit hinter den USA und Japan zurück. „Und das bei knapp vier Millionen Arbeitslosen!“ Rehder versteht die Welt nicht mehr. „Wir müssen die naturwissenschaftliche und technische Forschung verbessern, indem wir Bedingungen für stärkere Innovation schaffen. Da müssen Produkte herauskommen, die beschäftigungsintensiv eingesetzt werden können.“ Da fehlt nur noch ein Schlagwort. Genau: „Die deutsche Wissenschaft muß sich der Globalisierung anpassen.“

Rehder beschreibt den Weg, den sein Minister Jürgen Rüttgers vorgibt. Der Trend geht in Richtung anwendungsbezogene Naturwissenschaft. Nur da kommen am Ende Patente heraus. Patente bedeuten Produkte, und Produkte bringen Arbeitsplätze.

Daß es nicht besonders um die Bundesrepublik stehe, findet auch Anne-Charlott Trepp vom Max- Planck-Institut für Geschichte: „Unsere Gesellschaft richtet sich immer stärker rational-ökonomisch aus. Da geht was verloren!“ Die promovierte Historikerin macht sich Sorgen. „Deutschland hat sich immer als Kulturnation begriffen. Auf unsere geistig-kulturellen Kapazitäten dürfen wir nicht verzichten.“

Der Hilferuf ist berechtigt, denn Trepps Arbeitsplatz ist in Gefahr: Spätestens 2004 soll das Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte dichtmachen. Grund: Es muß gespart werden. Fünf Millionen Mark kostet das Institut im Jahr. Damit steht ein Forschungsinstitut vor dem Aus, das internationales Renommee genießt.

Durch die beiden derzeitigen Direktoren ist ein globales Netzwerk geknüpft worden. Stipendiaten aus aller Welt haben hier schon gearbeitet, vor allem aus Osteuropa und Asien. Seit 1977 ist dem Institut die „Mission Historique Française en Allemagne“ angegliedert, in dem ständig drei Franzosen die deutsche Geschichte erforschen. Im nächsten Jahr öffnet das „British Centre for Historical Research in Germany“, das ebenfalls eigenständig die hervorragende Göttinger Infrastruktur nutzen will. „Nirgends“, sagt Anne-Charlott Trepp, „ist der internationale Dialog so schwer wie in der Geschichte.“ Es sei schließlich leichter, über die Konstruktion eines Mikroskops zu diskutieren, als über das unterschiedliche Verhältnis zur Geschichte, „und das Verhältnis zur deutschen Geschichte ist nun mal belastet“.

Wohl nirgendwo sonst wird die deutsche Vergangenheit so intensiv unter die Lupe genommen wie in Göttingen. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte in Auschwitz, die derzeit mit dem Ziel ausgebaut wird, mit allen polnischen Gedenkstätten enger zu kooperieren. Das Institut war wegweisend beteiligt an der Hinwendung zur Sozialgeschichte sowie an der Entwicklung der historischen Anthropologie und der Mikrogeschichte. Damit werde „besonders zukunftsträchtige Forschung“ betrieben, meint Johannes Fried, der Vorsitzende des Verbandes der Historiker Deutschlands. Und: „Eine Geschichtswissenschaft, die sich zu einer historischen Anthropologie wandelt, die Ursachen und Bedingungen menschlichen Handelns erforscht, betreibt Grundlagenforschung, die sich gewiß mit der Erforschung ferner Galaxien messen kann.“

Sein Wort in Rüttgers' Ohr.