Förster zwischen Baum und Borke

■ Berlin will erste Großstadt mit dem Zertifikat „Natur- wald-Gemeinde“ werden. Förster warnen vor Auszeichnung

Die Hauptstadt soll vom „Naturschutzbund Deutschland“ (Nabu) mit dem Prädikat „Naturwald-Stadt“ ausgezeichnet werden. Doch mit der öffentlichkeitswirksamen Auszeichnung – dazu muß das Abgeordnetenhaus beschließen, daß Berlin sich an die geltenden Maßstäbe zur Waldbewirtschaftung hält – bringt der Nabu-Präsident die hiesigen Förster in die Klemme. Denn ob die Stadt das Geschenk einer Öko-Auszeichnung durch den Nabu annehmen sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Intern rät die Forstverwaltung davon ab, sich von den Naturschützern ehren zu lassen, weil niemand in der Forstverwaltung sich in einen Streit unter den Umweltverbänden über diese Auszeichnung und die weitere Öko-Politik zur Waldbewirtschaftung einmischen will. Es sei „zum derzeitigen Zeitpunkt problematisch, sich für eine Zertifizierungsvariante zu entscheiden“, heißt es aus der Umweltverwaltung.

Das Angebot durch Nabu-Päsident Jochen Flasbarth ist ein geschickter Schachzug in einer langen Debatte unter den Naturschutzverbänden. Berlin ist mit knapp 30.000 Hektar Wald der größte kommunale Waldbesitzer Deutschlands. Auf gut 20 Prozent der Landesfläche steht Wald, der nach den ökologischen Kriterien der Nachhaltigkeit bewirtschaftet wird. Damit qualifiziert man sich als Nabu-„Naturwald-Gemeinde“ – und gerät, wie die Förster fürchten, zwischen die Fronten.

Zwischen dem Nabu und anderen Umweltschutzverbänden wie Greenpeace, BUND, WWF, Robin Wood und Naturland schwelt seit langem ein Konflikt über den rechten Weg zum Öko-Wald. Der Nabu verleiht seine Auszeichnung an Gemeinden, die sich verpflichten, sich für die nächsten zehn Jahre an die ökologischen Kriterien zu halten. Wer das tut und von der Gutachter-Firma „eco timber“ überwachen läßt, bekommt das begehrte „eco-timber“-Zertifikat für sein Holz. Damit kann er auf dem Markt mit seinem ökologisch korrektem Holz um Kunden kämpfen. Der Nabu fordert weiterhin, fünf Prozent der Waldfläche in Staatsbesitz in mindestens 1.000 Hektar große Schutzgebiete zu unterteilen.

Bei der Forderung nach einer anderen Forstpolitik sind sich die Umweltschützer einig. Schwierig wird es bei der Zertifizierung des grünen Holzes. Alle anderen Waldschützer legen an das Siegel „ökologisch korrektes Holz“ höhere Maßstäbe an als der Nabu: Sie fordern, zehn Prozent der staatlichen Waldfläche nicht mehr zu bewirtschaften. Wer nun das „Naturland“-Siegel von Greenpeace, BUND und Co. bekommen will, muß sich verpflichten, seine gesamte Waldwirtschaft nach der Entwicklung in diesem wild wachsenden Wald auszurichten.

Das schließt die Nabu-Forderungen nach nachhaltiger Waldbewirtschaftung ein, geht aber gleichzeitig weit darüber hinaus. Der Nabu will auch geschaffene Kulturwälder mit „extrem hoher Artenvielfalt“ schützen und Rückschlüsse aus den wieder wachsenden wilden Wäldern erst in Jahrzehnten ziehen. Für Greenpeace- Waldcampaigner Thomas Henningsen dagegen muß ein wilder „Referenzwald“ her und die Verpflichtung, sich bei der Bewirtschaftung an dessen Entwicklung zu halten: „Wir brauchen das vor allem mit Blick auf die internationale Holzwirtschaft. Wir wollen dadurch etwa den Holzkonzernen in Kanada zeigen, welche Entwicklung eines Naturwaldes sie durch die Kahlschlagpolitik zerstören.“

Berlin solle sich nun in diesem Streit nicht einfach auf die Seite des Nabu stellen, mahnt die Forstverwaltung. Das Nabu-Konzept sei zwar akzeptabler, „praxisnäher und konkreter“, wie es aus der Verwaltung heißt. Doch verderben wollen es sich die angestellten Berliner Baumschützer auch nicht mit den lobbystarken Umweltverbänden Greenpeace, BUND und Co. Schließlich sei ein Ende der Diskussion nicht absehbar. Bernhard Pötter