Getanzte Routine

■ Unterhaltung für Vorruheständler: "Tanz auf dem Vulkan", der große Jahreswende-Dreiteiler der ARD (Teil 1: 20.15 Uhr)

Keine Frage: Klausjürgen Wussow kann besser schauspielern als tanzen; das MDR-Fernsehballett kann besser tanzen als schauspielern; und Sonja Kirchberger kann besser tanzen als Klausjürgen Wussow und besser schauspielern als das MDR-Fernsehballett.

Doch zum Glück muß Wussow in „Tanz auf dem Vulkan“, dem großen Jahreswende-Dreiteiler der ARD, gar nicht tanzen. Auch die Kirchberger tanzt erfreulicherweise nur ab und an. Routiniert besorgt den Rest das MDR-Fernsehballett.

Jene Revuetanztruppe — die als „DDR-Fernsehballett“ durch so manchen „Kessel Buntes“ und andere Unterhaltungssendungen des DDR-Fernsehens wallte, bis es eines schönen Tages kein DDR- Fernsehen mehr gab — hat als „MDR Deutsches Fernsehballett GmbH“ die Vereinigung der blühenden Fernsehlandschaften überlebt. Doch weil sich zugleich auch das Fernsehzeitalter der Revuetanzeinlagen überlebt hatte, fand die Dienstleistungstanzgruppe nun ein neues Betätigungsfeld bei dem von MDR und Provobis mit Mitteln der Hamburger Filmförderung prodzuierten „Tanz auf dem Vulkan“.

Leider sind, wie bereits eingangs angedeutet, selbst gute Tänzer nicht zwangsläufig auch gute Schauspieler. Außerdem mag Showtanz an sich ja ganz schön anzuschauen sein, handlungstragend ist er nicht.

Und so kommt es, daß Victor Bolscho (Klausjürgen Wussow), im Dreiteiler der alternde Chef der kleinen Hamburger „Dance-Company“ (MDR-Fernsehballett), ebensogut auch bloß ein alternder Fleischermeister mit eigenen Betrieb sein könnte; oder die Rolle der Olga Reichmann (Sonja Kirchberger), Gattin des Musical-Magnaten Reichmann, als Bankdirektorengattin beispielsweise kaum anders aussähe. Und der Katalysator der verworrenen Story, das vielsprechende Musical-Manuskript „Dance on the Vulcano“, könnte ebensogut geniale Software oder eine Ecstasy-Rezeptur sein, denn in „Tanz auf dem Vulkan“ geht es eigentlich um Existenzielleres als Tanzen — nämlich um Ruin und Erfolg, Ehe und -bruch, um Gesundheit, Selbstverwirklichung, Ruhestand.

Aber der nimmer enden wollende Strom der Deutschen in die Musical-Theater in aller Welt garantiert der ARD Einschaltquoten und dem Fernsehballett das Überleben. Man habe — gab Produzent, (Mit-)Drehbuchschreiber und Ex- Fernsehballett-Geschäftsführer Jürgen Haase auf der Pressevorführung unumwunden zu — versucht, „das Klischee gut zu bedienen“.

Das ist zweifellos gelungen. „Tanz auf dem Vulkan“ ist ein Glanzstück öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung: Stars und Entertainment, aalglatt inszeniert und produziert, dazu diverse Intrigen, Schicksalsschläge, Mißverständnisse, Läuterungen und Gastauftritte von Revuetänzerin Marlene Charell als Revuetänzerin und Diether Krebs als „Weather Girl“ — da kommt der brav seine GEZ-Gebühren zahlende Vorruheständler voll auf seine Kosten.

Wer sich also die großen (und überteuerten) Musical-Events in Hamburg, Bochum oder Wien nicht leisten will (oder kann), kriegt hier zwar ebenfalls kein erstklassiges Musical serviert, sitzt dafür aber „in der ersten Reihe“.

P.S.: Für all diejenigen, denen die integrierten Musicalszenen ganz besonders gut gefallen, sei erwähnt, daß die MDR Deutsches Fernsehballett GmbH plant, „Tanz auf dem Vulkan“ 1998 tatsächlich in Leipzig als Musical zu inszenieren. Das Libretto liegt bereits vollständig vor. Christoph Schultheis

Weitere Sendetermine:

Teil 2: Donnerstag, 20.15 Uhr

Teil 3: Freitag, 20.15