■ Südkorea: Streiks gegen neue Arbeitsgesetze
: Seouls Rückgriff auf alte Methoden

Mit der Aufnahme Südkoreas in die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) wurde der Aufstieg des einstigen Billiglohnlandes in den prestigeträchtigen Club der Industrieländer kürzlich auch formal anerkannt. In der Tat ist Südkorea, das zweite asiatische Land in der OECD, längst zu einer wirtschaftlichen Großmacht geworden. So fertigt die Industrie im „Land der Morgenstille“ ein Drittel aller weltweit produzierten Schiffe und ist der sechstgrößte Autoproduzent der Welt, wobei der wirtschaftliche Strukturwandel auch in Südkorea zu einer Standortdebatte geführt hat. Zuletzt forderte im November Präsident Kim Young Sam die Wirtschaft des Landes auf, die Wettbewerbsfähigkeit um 10 Prozent zu erhören.

In den 70er und 80er Jahren erfolgte Südkoreas Aufstieg vor allem auf Kosten der Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich jetzt dagegen wehren, wieder die Zeche zahlen zu müssen. Vor knapp zehn Jahren wurde mit Hilfe großer Streiks auch eine Demokratisierung eingeleitet. Doch bei der Verabschiedung der Gesetze für die Gewerkschaften und den Geheimdienst am 25. Dezember, die jetzt die Streikbewegung auslösten, griff die Regierung wieder auf Methoden aus der Zeit der Diktatur zurück. Die Gesetze wurden nicht nur unter Ausschluß der Opposition klammheimlich verabschiedet, sondern das Geheimdienstgesetz gibt den Sicherheitsbehörden genau jene Vollmachten wieder, die sie im Zuge der Demokratisierung verloren haben. Begründet werden die neuen Vollmachten für den Geheimdienst und die Weigerung, freie Gewerkschaften zuzulassen, mit der Bedrohung aus Nordkorea, die im September durch den U-Boot-Zwischenfall für Schlagzeilen sorgte. Mit der nordkoreanischen Bedrohung wurden auch in der Vergangenheit alle autoritären Maßnahmen begründet.

Die Regierung in Seoul hat durch die Korruptionsskandale der letzten Monate und wegen der Prozesse gegen die früheren Präsidenten Chun Do Hwan und Roh Tae Woo stark an Ansehen verloren. Mit dem Rückgriff auf die alten Methoden versucht sie jetzt ihre Position für die Präsidentschaftswahlen in knapp zwölf Monaten zu stärken. Es bleibt abzuwarten, ob es nur ein „Schluckauf“ ist, wie ein US-Diplomat kürzlich bemerkte, oder ein Rückfall in die Diktatur. Mit Sicherheit ist der Rückgriff auf die alten Methoden kein Zeichen politischer Reife. Sven Hansen