Perus Regierung bewegt sich doch

■ Nach ersten offiziellen Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla sind weitere 20 Geiseln frei

Lima (taz) – In die festgefahrene Situation um die Geiselnahme in der Residenz des japanischen Botschafters in Peru kommt Bewegung: Zum erstenmal hat der Verhandlungsbeauftragte der peruanischen Regierung, Erziehungsminister Domingo Palermo, am Samstag in dem besetzten Gebäude direkt mit dem Anführer des Guerilla-Kommandos verhandelt, das die Residenz am Dienstag vor Weihnachten besetzt hatte. Über den Inhalt der dreistündigen Verhandlungen mit dem Kommandanten Nestor Cerpa Cartolini von der „Revolutionären Bewegung Tupac- Amaru“ (MRTA) sagte Palermo nichts.

Kurze Zeit später ließ die MRTA weitere 20 Geiseln frei. Damit will die Guerilla ihren Willen zu Verhandlungen unterstreichen. Erneut schickte sie das Angebot eines „dauerhaften Friedens“ an die Regierung. In einem Kommuniqué fordert sie auch, darüber nachzudenken, „wie es zu dieser extremen Situation gekommen ist“. Nunmehr befinden sich noch 83 Geiseln in der Hand des Kommandos, darunter Außenminister Francisco Tudela, Rodolfo Munantes, ein Bruder des Präsidenten Fujimori, und die Chefs von Perus Staatssicherheit und Antiterrorpolizei.

Palermo verbuchte die Freilassung der 20 Geiseln auf sein Konto. Doch noch ist nicht sicher, ob er Zugeständnisse an die MRTA gemacht hat. Er gab an, die einzige Forderung der Guerilla sei es gewesen, eine Erklärung der Gruppe zu veröffentlichen. Allerdings haben die Guerilleros schon am Freitag der Regierung einen anderen Handel angeboten: Sie wollten weitere Geiseln freilassen, wenn sie mit ihren inhaftierten GenossInnen telefonieren können. Unterdessen mehren sich Meldungen, nach denen das Kommando nicht mehr auf seine ursprüngliche Forderung nach Freilassung aller MRTA-Gefangenen bestehe. Statt dessen würden nur mehr bessere Haftbedingungen gefordert.

Noch ist unklar, in welche Richtung die Verhandlungen gehen werden. Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des peruanischen Parlaments, Martha Chávez, hat angekündigt, sich einer legalisierten MRTA nicht in den Weg zu stellen. „Niemals hat jemand irgendeine politische Gruppe, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens arbeiten will, ausgeschlossen“, erklärte sie. Wenn die MRTA jetzt als legale Organisation weitermachen wolle, sei sie „herzlich willkommen“. Allerdings müsse sie alle Geiseln freilassen und ihre Waffen abgeben. Damit bleibt Chávez in dem von Präsident Alberto Fujimori abgesteckten Rahmen, der ebenfalls einen Friedensvertrag ablehnt.

Es sei klar, daß die MRTA „nicht bei der Wahlkommission anklopfen wird“ und um ihre Legalisierung bitten werde, entgegnete ihr Javier Diez Canseco, Parlamentsabgeordneter der Vereinigten Linken (IU) und Exgeisel des Guerillakommandos. Denn MRTA-Mitglieder säßen im Gefängnis, und die in Freiheit lebenden würden mit Haftbefehl gesucht. Ein Verhandlungsprozeß könne daher nicht von heute auf morgen losgetreten werden. Die peruanische Regierung denkt angeblich darüber nach, der MRTA die Legalisierung anzubieten. Eine Freilassung der Gefangenen kommt für sie aber weiterhin nicht in Frage. Ingo Malcher

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