"Niemand weiß, wo das Geld bleibt"

■ Die Studienplätze sind zu teuer, meint Bert Flemming, hochschulpolitischer Sprecher der SPD. Weniger Studis in Medizin und Naturwissenschaften, mehr an die Fachhochschulen. In vier Jahren sind Einsparung

taz: Anfang des Jahres will Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) mit den Hochschulen über einen neuartigen „Leistungsvertrag“ verhandeln. Radunski und die CDU reklamieren dieses neue Vertragsmodell für sich: Der Staat gewährt finanzielle Planungssicherheit; die Hochschulen sollen als Gegenleistung gutausgebildete AbsolventInnen „liefern“.

Bert Flemming: Ein Urheberrecht gibt es in der Politik nicht. Sonst würden wir Sozialdemokraten das für uns geltend machen: Der Vorschlag stammt von dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Böger, der Finanzsenatorin und mir. Aber viel wichtiger ist, das lange verschleppte Gespräch zwischen den Präsidenten der Hochschulen und der Wissenschaftsverwaltung nun wieder aufzunehmen.

Die Vertragsverhandlungen laufen vor einem düsteren Szenario ab. Die in den Vertrag mit aufzunehmenden Kürzungen im Hochschuletat werden die Studienplätze in Berlin auf unter 50.000 sinken lassen.

Da muß ich gleich zweimal widersprechen. Erstens haben die Präsidenten, von denen diese Zahl für das Jahr 2003 stammt, nur die universitären Studienplätze gezählt. Fach- und Kunsthochschulen haben die ebensowenig berücksichtigt wie die Berufsakademie. Zweitens stimmt das nur, wenn das Profil der Studienplätze so bleibt, wie es jetzt ist.

Im Klartext: Wir haben in der Stadt im Verhältnis viel zu viele teure Studienplätze. Niemand in Europa gibt beispielsweise so viel Geld für einen Medizinstudenten aus, bei den Naturwissenschaften ist es ähnlich. Wir brauchen mehr von den Studienplätzen, die weniger kosten, die aber für eine gesunde gesellschaftliche und wirtschaftiche Infrastruktur notwendig sind. Dann können wir trotz sinkender Zuschüsse die angepeilte Zahl von 85.000 Studienplätzen tatsächlich auch halten.

Trotzdem bleibt der Abbau von Bildungsmöglichkeiten ein Rätsel. In jeder Sonntagsrede wird der einzige Rohstoff beschworen, den Berlin wirklich zu bieten hat: das Wissen nämlich, – und bei der nächsten Haushaltsrunde wird doch wieder an der Bildung gespart.

Um dies zu vermeiden, sind die Verträge unerläßlich. Aber die neuerlichen Kürzungen von 150 Millionen Mark bis zum Jahr 2000 machen den Unis das Leben wirklich schwer. Das Bildungsangebot in der Stadt ist nur zu halten, wenn wir die teilweise ausgezeichnete Ausstattung von Studiengängen mit Lehrenden korrigieren – etwa über den Curricularnormwert, der das Verhältnis von Lehrenden und Lernenden bestimmt.

Aber genau das versucht zum Beispiel die Technische Universität: einzusparen, ohne Studienplätze abzubauen. Aber die Wissenschaftsverwaltung verhindert gezielt den Umzug in günstigere Objekte. Auch die Erhöhung der Studentenzahlen je Professor ist ihr nicht genehm.

Tatsächlich ist der zuständige Beamte ein Verhinderer. Das darf nicht vorkommen. Wir halten da voll dagegen und wollen, daß der TU-Plan umgesetzt wird und nicht der von Radunskis Beamten. Das wird Thema eines Koalitionsgesprächs.

Wie wollen Sie Ihre Vorstellungen über den Univertrag umsetzen? Sitzen Sie und die SPD überhaupt mit am Verhandlungstisch?

Ja, es gibt drei Partner: die Hochschulen, den Wissenschaftssenator und damit die CDU sowie das Parlament, also uns. Es geht jetzt darum, die Einsparsumme von 150 Millionen Mark bis zum Jahr 2000 auf die Hochschulen aufzuteilen. Da müssen Prioritäten gesetzt werden. Denn das schlimmste wäre, wenn je nach Budget anteilig gekürzt würde. Aus den Universitäten und Fachhochschulen kommen viele Vorschläge, die auf ein besseres und preisgünstigeres Angebot zielen. Das wollen wir aufgreifen.

Wie lauten Ihre Prioritäten?

Mir geht es vor allem um drei Punkte: Erstens sollte der geplante naturwissenschaftlich-technische Campus Adlershof von allen drei Universitäten beschickt werden. Zweitens will ich die Kosten in der Medizin anpassen. In Berlin kostet ein Platz für das Studium der Medizin rund 750.000 Mark – der Mittelwert hierfür liegt in Deutschland bei 270.000 Mark, in Bochum nur bei 160.000 Mark. Aber hier in Berlin weiß niemand, wo das Geld eigentlich bleibt! Drittens will ich das Verhältnis von Studienplätzen an Universitäten und Fachhochschulen zugunsten der Fachhochschulen verändern. Wir müssen darüber nachdenken, ob wir an den Unis teuer Professorennachwuchs ausbilden oder lieber berufliche Qualifizierung auch an den FHs anbieten. Die Studierenden wollen das. Laut Umfragen gehen heute schon 75 Prozent zur Uni, um sich auf einen Beruf außerhalb der Wissenschaft vorzubereiten. Das Hauptproblem an dem Vertrag ist im übrigen die Laufzeit. In vier Jahren sind die geplanten Einsparungen nicht zu schaffen.

Die Zeitvorgabe stammt von ihrer Parteifreundin, der Finanzsenatorin.

Ich weiß das. Trotzdem sind 150 Millionen in vier Jahren nicht zu erbringen. Über die Summe brauchen wir nicht mehr zu diskutieren. Aber über den zeitlichen Rahmen muß man reden. Ansonsten zwingt uns der schnelle Wegfall von Stellen dazu, die Studiengänge zu verschlanken, in denen zufällig die ältesten Professoren sitzen. Das darf nicht sein. Interview: Christian Füller