Kolonialgeschichten

■ Karneval in "Deutsch-Südwest", Weißwürste in Togo: Drei "Reisen in die Vergangenheit" (ab morgen, 21.50 Uhr, ARD)

Der Mann heißt Misa Telefoni Retzlaff und ist nicht etwa ein notorischer Handy-User, dem genervte Mitbürger einen ulkigen Spitznamen verpaßt haben. Nein, Herr Retzlaff heißt wirklich so, ist auf Samoa geboren und dortselbst Gesundheitsminister. Seinen zweiten Vornamen verdankt er seinem Großvater, der auf dem Südsee- Archipel Anfang des Jahrhunderts die ersten Telefone installierte. Eine von vielen Kuriositäten, auf die Filmemacher Felix Kuballa bei seiner Suche nach Spuren der deutschen Kolonialzeit auf Neuguinea und Samoa gestoßen ist. Schließlich weht die Flagge des deutschen Kaiserreiches um die Jahrhundertwende hier ebenso wie in Togo, Kamerun und dem heutigen Namibia. Und die meisten Spuren, die die deutschen Kolonialherren in den „Schutzgebieten“ hinterließen, sind weit weniger komisch als der Name des Herrn Ministers.

So fand Luc Leysen, der für diese dreiteilige Reihe des WDR Togo bereiste (Ausstrahlung: 2.1., 21.45 Uhr), nicht nur deutsches Bier und Weißwürste im „Alt München“, sondern auch zahllose Akten, in denen kaiserliche Beamte mit deutscher Gründlichkeit und Ordnungsliebe akribisch jede vollzogene Prügelstrafe festhielten. Auch hier bauten die Missionare des deutschen Wesens mehr Gefängnisse als Schulen.

Und in Namibia, an manchen Stammtischen auch heute noch gern Deutsch-Südwest-Afrika genannt, schufen die Kolonialherren seinerzeit das Vorbild für die südafrikanische Apartheidpolitik. Überhaupt traf Felix Kuballa bei seiner Drehreise (Ausstrahlung: 3.1., 21.45 Uhr) hier auf eine ganze Reihe von Stramm-Deutschen, die nicht nur Karnevalsumzüge, sondern noch weit grausigere Rituale veranstalteten. So schmettert beispielsweise eine obskure Pfadfinderorganisation zum Gedenken an die deutschen Gefallenen in Deutsch-Südwest alljährlich unter einer kaum modifizierten Reichskriegsflagge alte Soldatenlieder.

Dank des Versailler Vertrages hatte der deutsche Spuk in Fernost und Afrika dann 1919 ein Ende. Aber auf Mallorca soll es ja hie und da auch recht deutsch zugehen... Reinhard Lüke

Die weiteren Folgen sind am 2. und 3. Januar jeweils 21.45 Uhr im Ersten zu sehen