Erste Risse in Serbiens Armee

■ Offiziere und Generalstab im Streit um die politische Krise. Auch Koalitionspartner rücken von Milošević ab

Belgrad (AP/dpa/AFP) – In Serbiens Armee scheint sich ein Riß zwischen dem Generalstab und einer „großen Gruppe“ von Offizieren aufzutun. Gestern wies der jugoslawische Generalstab „alle Spekulationen, Manipulationen und Unterstellungen“ einer möglichen Einmischung der Armee in die politischen Auseinandersetzungen in Serbien zurück.

Anlaß dieser Erklärung war der Brief einer „großen Gruppe von Offizieren“. Darin hatten die Unterzeichner dem Einsatz von Gewalt gegen das Volk eine klare Absage erteilt. Adressaten des Briefes waren neben dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević auch Generalstabschef Moncilo Perisić und die Studenten.

Unterdessen wächst der Druck auf Milošević auch in den eigenen Reihen. Ein Koalitionspartner der Regierung, die Partei Neue Demokratie, forderte Milošević gestern auf, den Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu respektieren. Darin war am Freitag der Wahlsieg der Opposition bestätigt worden. Der stellvertretende Vorsitzende der Partei, Zarko Jokanović, erklärte, seine Partei werde niemals an einer Diktatur mitwirken. „Wir sind für Privatisierung, Demokratie und Pressefreiheit.“

Auch einen Austritt seiner Partei aus der Koalition schloß Jokanović nicht aus. Die unabhängige Tageszeitung Nasa Borba zitierte den Parteivorsitzenden Dusan Mihajlović mit den Worten, Milošević solle sich äußern, wofür er eintrete: „Diktatur, Revolution oder Reformen“. Die Neue Demokratie werde den Präsidenten nur unterstützen, wenn er sofort Schritte zur Normalisierung der Lage einleite.

Unterdessen wurden gestern in der Belgrader Innenstadt erneut starke Polizeieinheiten zusammengezogen, um die Fortsetzung studentischer Proteste zu verhindern. Bereits am Sonntag hatte die Polizei einen Protestmarsch von Studenten durch Belgrad verhindert. Rund 5.000 Menschen hatten sich nahe der Universität versammelt, durften jedoch die Fußgängerzone nicht verlassen.