Gräber auf Roms jüdischem Friedhof geschändet

■ Die Polizei vermutet rechte Skinheads als Täter. Die Politiker sind entsetzt, selbst die um ihr Ansehen besorgte rechtsextreme Nationale Allianz gibt sich bestürzt

Rom (taz) – Dutzende von Gräbern verwüstet, die Davidsterne von den Grabplatten abgerissen, daneben auf deutsch mit Goldfarbe gepinselt: „Arbeit macht frei“ – so fanden Besucher am Sonntag den jüdischen Friedhof von Prima Porta in Rom vor. Zumeist Familien der Geschäftsleute aus dem ehemaligen Ghetto im Zentrum der Stadt liegen auf dem Friedhof begraben. Angesichts der Verwüstungen tippten Sprecher der jüdischen Gemeinde sofort auf „Naziskins“ als Täter.

„Derlei geschieht alle Jahre ein- oder zweimal“, so Oberrabbiner Elio Toaff, „ohne daß man genau ausmachen kann, warum.“ Tatsächlich hatten sich bereits in den vergangenen Jahren derlei Verwüstungen auf Friedhöfen abgespielt. Auch jüdische Geschäfte in der römischen Innenstadt wurden beschädigt. In einigen Fällen gelang es der Polizei, die Täter in rechten Skin-Kreisen ausfindig zu machen. Häufiger jedoch blieben sie unbekannt. Ähnliche Vorfälle wurden in den letzten Jahren auch aus anderen italienischen Städten gemeldet. Zuletzt wurde Anfang Oktober in Modena ein Friedhof geschändet.

Die Wut über derlei Taten und die Unmöglichkeit, die Täter zu ermitteln, hatte in Rom schon einmal zu Gegenmaßnahmen aufgebrachten Jugendlicher aus dem Ex- Ghetto geführt: Sie marschierten zu einschlägigen Skinhead-Lokalen, verprügelten einige der „Naziskins“ und hauten das Mobiliar kurz und klein, dann zogen sie sich wieder zurück.

Trotz der offenbar antisemitischen Urheberschaft schließen italienische Ermittler aber auch andere Spuren nicht aus. Für möglich gehalten wird etwa, daß andere Gruppen beispielsweise die israelische Siedlungspolitik in Palästina angreifen wollen. Tatsächlich fanden die meisten Verwüstungen zu Zeiten statt, in denen sich der israelisch-arabische Konflikt verschärft hatte.

Die italienischen Parteien verurteilten den Vandalismus einhellig. Der stellvertretende Ministerpräsident Walter Veltroni sprach von einem „schwerwiegenden, besorgniserregenden Verbrechen“. Roms Bürgermeister Francesco Rutelli versprach die Reparatur der Schäden auf Gemeindekosten. Besonders schnell und scharf war auch die Verurteilung seitens der Nationalen Allianz (AN). Weil die Nachfolgeorganisation der Neofaschisten derzeit mit allen Mitteln die „Anerkennung“ als moderate, von allem Rassismus befreite Partei anstrebt, sind ihr Beweise des fortdauernden Antisemitismus in Rom besonders unangenehm. Parteichef Gianfranco Fini hofft für das kommende Jahr auf eine Einladung aus Jerusalem. Jungaktivisten der AN suchen denn auch seit Bekanntwerden der Nachricht nach Informationen über die Täter, um zu beweisen, daß es sich um keine ihnen nahestehende Personen handelt. Die meisten jüdischen Friedhofsbesucher waren gestern jedoch der Meinung, daß „gewisse Elemente der politischen Rechten“ (so eine Frau, deren Familiengrab verwüstet wurde) noch immer den Nährboden für derlei Taten bereiten. Werner Raith