„Das übliche Gezuckere!“

Endlich! Die mit Spannung erwartete besten und schlechtesten Zwischenrufer mit „Eure Eloquenz“ angeprochen werden? Besserung gemahnt? Durch die Verleihung der taz-Oscars 1996 für die der Bürgerschaft ist da. Wer muß künftig Und wer wird mit dem Gähn-Pokal zur Zeremonie führt  ■ Silke Mertins

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Zwischenruferinnen und Zwischenrufer! Gibt es eine schönere Aufgabe, als diejenigen ParlamentarierInnen mit einem taz-Pokal 1996 zu ehren, die uns von der Monotonie der Redebeitrage erlösen wie ein Bäuerchen den Säuglings vom Füllegefühl. Natürlich fiel der Jury die Auswahl schwer. Protokolle wollten gewälzt, Notizen durchgesehen und Recherchen angestellt werden. Kein Gestammel blieb unberücksichtigt, keine Bösartigkeit unerkannt.

Seit Wochen nun fiebert die Bürgerschaft dem heutigen Tage entgegen: Wer sind die glücklichen Gewinner? Wer muß Schmach hinnehmen? Nun, meine Damen und Herren, liebe Zwischenrufer und Zwischenruferinnen, die Sie alle so zahlreich heute erschienen sind, jetzt ist es soweit.

Der Gähn-Pokal

(Trommelwirbel) Schade, Schade, liebe Elisabeth Kiausch (bricht in Tränen aus). Als Fraktionsvorsitzende der SPD sind Sie leider nur formal die Nummer eins. Die Jury mußte zu ihrem Bedauern feststellen, daß es bei Ihnen zu nicht mehr als „hört, hört!“, „Unsinn!“ oder „sehr richtig!“ gereicht hat (schluchzt nun). Aber, Frau Kiausch (klammert sich an ihre Häkelstola), ist das die Aufgabe derjenigen VolksvertreterInnen, die ganz vorne sitzen dürfen? (schüttelt demütig den Kopf) Na, also! (mitleidiger Applaus).

Der Blubber-Pokal

(Trommelwirbel) Wer viel redet, trifft gelegentlich auch mal den Punkt. Wir beglückwünschen Ole von Beust, den CDU-Fraktionschef und Bürgermeisterherausforderer, zum diesjährigen Blubber-Pokal (heftiger Applaus). Herr von Beust, freuen Sie sich doch mal! (freut sich). Besonders hervorzuheben ist sein Zwischenruf auf die Rede eines Parteikollegen zum Bündnis für Arbeit. Sagt der: „Wir kennen inzwischen Bündnisse verschiedenster Inhalte.“ Ruft Ole zwischen: „Bündnis 90/Die Grünen zum Beispiel!“ Hervorheben möchte die Jury auch den Zwischenruf zur Rede der Arbeitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel. Sagt sie: „Hamburg ist das Mekka für neue Instrumente der Arbeitsmarktpolitik.“ Ruft er: „Dann müssen Sie Mohammed sein!“ Auch der bettelnde von Beust hat gut gefallen. Sagt die Bürgerschaftspräsidentin: „Das Wort hat Walter Zuckerer“ (SPD). Ruft Ole: „Bitte geben Sie uns Recht, Herr Zuckerer! Einmal im Leben!“ Na, lieber Herr von Beust, weiter so!

Der Blindhuhn-Pokal

(Trommelwirbel) Auch der minderbegabte Zwischenrufer soll nicht gänzlich ohne Ehrung bleiben, gerade weil ihm so selten ein Treffer gelingt. Bitte Applaus für Georg Berg von der Statt Partei (großer Beifall). Visionen brauche diese Stadt, forderte CDU-Herausforderer Ole von Beust, und wurde für den Mangel an eigenen von der SPD verspottet. Dann war er plötzlich verschwunden. Sagt Finanzsenator Ortwin Runde (SPD): „Nach seiner fulminanten Rede ist Herr von Beust untergetaucht.“ Zwischenruf Berg: „Er sucht Visionen!“ (Protokollnotiz: „Heiterkeit im ganzen Hause“).

Der Gruppen-Pokal

(Trommelwirbel) Der diesjährige Gruppenpreis geht an die Arbeitsgemeinschaft Farbenlehre (Jubelrufe). Zum Thema „Maulkorb für Hochschullehrer“ sagte Achim Reichert (Statt) in seiner Rede: „Wenn der Senat keine Anhörung will, setzt er sich dem Verdacht aus, daß die Professoren nicht nur Grautöne in die Sache bringen.“ Zwischenruf des Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD): „Grautöne wären ja gut!“ Zwischenruf von Beust (CDU): „Mausgrau!“ Zwischenruf Willfried Maier (GAL): „Ich will Grüntöne!“ Voscherau-Gegenruf: „Grüntöne sind das Problem!“ Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD): „Also, meine Lieblingsfarbe ist rot.“

Der Bäh-Pokal

(düsterer Trommelwirbel) Verehrte Damen und Herren, liebe Zwischenruferinnen und Zwischenrufer! Auch das Hohe Haus der VolksvertreterInnen ist nicht gefeit vor Hohlem und Dumpfem. Die Jury bittet um Buhrufe für Rolf Lange (SPD) (Pfui-, Bäh- und Igitt-Rufe aus dem Publikum). Als die GAL schilderte, daß Flüchtlinge in den Sammellagern zu zweit auf 3,5 Quadratmeter untergebracht sind, daß Mäuse, Kakerlaken und anderes Ungeziefer die Gesundheit der dort Lebenden, insbesondere der Kleinkinder, gefährde, entfuhr Lange der Zwischenruf: „Die können doch selbst saubermachen!“ Ja, Herr Lange aus Wandsbek (verheiratet, drei Kinder), waschen wir denn zu Hause unsere Unterhöschen selbst? (blickt schuldbewußt zu Boden). Putzen wir das Klo? Schrubben wir die Wanne? (beißt sich auf die Lippe). Oder vielleicht die liebe Frau Gemahlin? Wollen wir uns freiwillig dem von der Jury einstimmig empfohlenen Resozialisierungs-Kurs in der Flüchtlingsunterkunft „Bibby Stockholm“ anschließen? (nickt ergeben). Brav, Herr Lange.

Der Chaos-Pokal

(heiterer Trommelwirbel) Der allseits beliebte Chaos-Pokal für den Un-Dialog des Jahres 1996 geht an Martin Schmidt von der GAL (Beifall, Beifall, Beifall). Herzlichen Glückwunsch, Herr Schmidt! (führt mit seinem Fahrrad einen kleinen Freudentanz auf). Ausschlaggebend waren zwei Rede-Zwischenruf-Intermezzi. Sagt Schmidt: „Fällt Ihnen noch etwas Neues zum Thema Transrapid ein?“ Zwischenruf Ingo Kleist (SPD): „Ja!“ Schmidt: „Mir auch nicht.“ Zwischenruf Petra Brinkmann (SPD): „Dann setzen Sie sich!“ Schmidt: „Ich habe meine Rede von 1994 wieder vorgeholt.“ Antje Möller (GAL): „Aber bitte kürzen!“ Außerdem das berühmte Schmidt-Gelübde, er würde die Bürgerschaft verlassen, sobald die Kreuzung Stresemannstraße/Max-Brauer-Allee ausgebaut ist. Zwischenruf Uwe Grund (SPD): „Das ist ein Angebot!“ Rolf Polle (SPD): „Das hat die Tiefbauabteilung vorgestern zugesichert.“ Zurufe der SPD: „Tschüß, Herr Schmidt!“ Willfried Maier (GAL): „Wir ziehen den Antrag zurück.“

Der Sonder-Preis

(tosender Trommelwirbel) Die Jury ist erfreut mitzuteilen, daß der Sonder-Pokal an eine verdiente Abgeordnete geht, die beim Bücherhallen-Kahlschlag „Kreissägen im Bauch“ verspürt und den CDU-Hardliner Karl-Heinz Ehlers gerne einen „Stinkstiefel“ nennt (Publikum: „Jutta Biallas! Jutta Biallas!“). Es ist: Jutta Biallas von der GAL! (Applaus) Sie erhält diesen schönen Pokal für ihren Lieblingszwischenruf zu allen Gelegenheiten: „Weg mit den Autos!“

Die Sieger-Pokale

(gespannter Trommelwirbel) Den dritten Preis, meine verehrten Damen und Herren, liebe Zwischenrufer und Zwischenruferinnen, erhäääält: Alexander Porschke (GAL). Und zwar unter anderem für seinen Zwischenruf auf Jürgen Klimke (CDU), der sagte: „Die beiden Kooperationspartner haben schon etwas Wasser in den touristischen ,Hamburg-Wein' gegossen, und ich werde versuchen, noch mehr Wasser hineinzugießen.“ Porschke: „Auf daß es ein Schaumbad wird!“

Den zweiten Preis bekooooommt: Willfried Maier (GAL). Und zwar für den Zwischenruf bei der Gummibärchen-Diskussion. Sagte ein CDU-Redner: „Was Leo Baumert von der SPD hier vorgetragen hat, schien mir alles ungemein kompetent. Er hat sich wirklich in das Thema eingearbeitet.“ Ruft Maier: „Und zwar Tüte um Tüte!“ Gefallen haben aber auch seine Anmerkungen zur Debatte um die Einführung von „Beziehungskunde“ an der Schule (Antrag der Statt Partei). Sagt Anke Kuhbier (SPD): „Wenn wir diesem Antrag zustimmen, dann hat das was mit der Beziehung zwischen der SPD und der Statt Partei zu tun.“ Maier-Zwischenruf: „Ach, machen wir doch 'ne Kuschelstunde im Parlament!“

Und nun zum Höhepunkt (atemlose Hurra-Rufe): Den Ober-Oscar und den Titel „Eure Eloquenz“ als unbestritten bester Zwischenrufer geht aaaan: Roland Salchow von der CDU!!! (fällt in Ohnmacht). Herzlichste Glückwünsche, Herr Salchow (rappelt sich wieder hoch). Sein Highlight war der Zwischenruf auf eine Rede des SPD-Haushaltsausschußvorsitzenden Walter Zuckerer. Salchow: „Das übliche Gezuckere!“ Ebenso preisverdächtig sein Zuruf auf die GAL-Rede, in der die Entscheidungsschwäche des Bürgermeisters bedauert wird. Martin Schmidt (GAL): „Dazu kommt, daß er ein großes Mißtrauen gegen seine eigene Partei hegt.“ Salchow: „Das kann man doch verstehen!“

Dem, verehrtes Publikum, ist nichts hinzuzufügen. Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahr (Beifall, Hoch-Rufe, Vorhang fällt).